© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/22 / 04. Februar 2022

Dem Weltmarkt Paroli bieten
Grün-Deutschlands Hoffnung: Das Lithiumdreieck im Oberrheingraben und eine Grube im Erzgebirge
Ralph Meese

Lithium ist das neue Gold. Das weiße Metall ist für die Stromspeicherung unersetzbar. Ohne langlebige und leicht wiederaufladbare Lithium-Ionen-Akkus funktionieren weder Handys noch Laptops und erst recht keine Elektroautos. Prognosen der Marktforscher von Benchmark Minerals rechnen mit einem rasanten Anstieg des weltweiten Lithium-Bedarfs für Akkus bis zum Jahr 2028 um fast das Zehnfache. Das entspricht einem Bedarf von rund 1,6 Millionen Tonnen Lithium.

 Ein Ersatzstoff mit ähnlichen Eigenschaften als Ladungsträger ist bisher nicht in Sicht. Lithium werde noch mindestens zehn Jahre unverzichtbar für die Herstellung von wirtschaftlichen, langlebigen Akkus bleiben, versichert Chemie-Nobelpreisträger Michael Stanley Whittingham, Experte bei der Erforschung von Lithiumbatterien.

Rar ist dieses konkurrenzlose Metall insbesondere in den Ländern der Europäischen Union, die doch – so eine Lehre der Europäischen Kommission aus den anhaltenden globalen Lieferengpässen – von Exporten aus anderen Kontinenten unabhängiger werden sollen. Noch aber liegen die Hauptabbauregionen von Lithium in Australien und Südamerika, wo auch andere Umweltstandards gelten als in der Alten Welt. Das haben gerade die Investoren zu spüren bekommen, die in Serbien Lithium gewinnen wollten. Die Proteste der Naturschützer waren derart groß, daß das Jadar-Lithiumprojekt, Investitionssumme 2,4 Milliarden US-Dollar, das eigentlich 2026 die Produktion aufnehmen sollte, gestoppt wurde.

In Deutschland wiederum drängt die vor allem von Klimaschützern gewählte Bundesregierung auf eine möglichst unbürokratische und damit schnelle Erschließung entdeckter Lithium-Lagerstätten im sächsischen Erzgebirge und im Oberrheingraben. Denn ohne den begehrten Rohstoff keine E-Mobilität, und ohne diese sind die von Berlin vorgegebenen Klimaziele unerreichbar.

Deutsche Lithiumproduktion soll nachhaltig sein

Entsprechend sieht sich die Deutsche Lithium GmbH im sächsischen Freiberg als „kompetenter Partner für die Herstellung von Lithiumverbindungen für Lithiumbatterien und weitere Anwendungen“. Stolz verweist Deutsche Lithium auf ihren „strategischen Vorteil einer eigenen Lithiumlagerstätte. Somit sei man „unabhängig vom stark schwankenden Lithiummarkt“, betonen die Sachsen und verweisen auf ihre Lithiumglimmer-Greisen-Lagerstätte in Altenberg-Zinnwald.

Um aber nicht im eigenen Land die Proteste von Natur- und Heimatschützern heraufzubeschwören, soll die deutsche Lithiumgewinnung nachhaltig sein. Dafür wird im Rahmen eines vom Steuerzahler finanzierten Projektes untersucht, wie Lithium per Extraktionsverfahren aus heißen Tiefenwässern gewonnen werden kann. Experimente im Labor seien erfolgreich gewesen und hätten gezeigt, daß Zeolithe eine größere Menge an Lithium absorbieren und dadurch eine vielversprechende Alternative zu Manganoxiden darstellen, heißt es auf der Internetseite des vom Bundeswirtschaftsministerium seit Ende 2020 geförderten Verbundprojektes „UnLimited“ („Untersuchungen zur Lithiumproduktion aus heißen Tiefenwässern in Deutschland“).

Wesentliche Auswahlkriterien seien die Stoffeigenschaften, die Umweltverträglichkeit bei der Herstellung, dem Einsatz und dem Recycling beziehungsweise der Entsorgung: „Grundsätzlich gilt, daß bei der Auswahl der Absorbentien den spezifischen Anforderungen der Tiefenwässer im Ober-rheingraben (ORG) und Norddeutschen Becken (NDB) Rechnung getragen werden soll.“

Erste Ergebnisse aus der Abschätzung und Bewertung geothermaler Lithiumvorkommen im Oberrheingraben würden „signifikante Lithiumgehalte von bis zu 200 mg/L in den tiefen geothermischen Solen von Strasbourg bis Mannheim“ zeigen, heißt es in einer Pressemitteilung der unter Federführung der EnBW Energie Baden-Württemberg AG am Projekt Beteiligten, also neben den Unternehmen Bestec und Hydroson GmbH auch das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sowie die Georg-August-Universität Göttingen.

Bergbau hofft auf neue Arbeitsplätze

Nach einem Jahr gemeinsamer Forschungsarbeit kristallisiert sich ein „nachhaltiges geothermisches Lithiumdreieck im Oberrheingraben“ heraus. Besonders die geothermischen Standorte in Landau, Bruchsal und Soultz-sous-Forêts deuten, so die Wissenschaftler, auf eine nachhaltige Lithiumquelle im Tausende Meter tiefen Untergrund hin. Auch die Geothermiestandorte Insheim und Rittershoffen sind Teil dieses Bereichs. 

Dabei wurden auch die Zahlen des gemeinsam von EnBW und den Stadtwerken Bruchsal seit 2010 betriebenen Geothermiekraftwerks Bruchsal verwendet. Das hier erbohrte Thermalwasser – 30 Liter pro Sekunde – ist „mit rund 150 Milligramm Lithium pro Liter Wasser relativ reich an Lithium“, sagt Thomas Kölbel, Group Expert Geothermie bei der EnBW.

Allein die Lithiummenge, die hier bei jährlichen 8.000 Betriebsstunden gefördert, aber bisher ungenutzt reinjiziert wird, ist ausreichend für die Produktion von etwa 20.000 Autobatterien. Kein Wunder, daß es die Projektteilnehmer für denkbar halten, „die Gewinnung des Rohstoffs über die Anlage in Bruchsal in der Fläche zu skalieren“.

Dabei machen die Wissenschaftler darauf aufmerksam, daß das in einem geschlossenen Kreislauf zirkulierende Tiefenwasser nach der Nutzung wieder in den Untergrund zurückfließt, so die unterirdischen Tiefenwasservorräte erhalten bleiben und die geothermische Strom- und Wärmeproduktion durch eine Lithiumgewinnung ebenfalls nicht gestört werde. Die Lithiumionen werden aus dem Wasser herausgefiltert und dann so konzentriert, bis das gelöste Lithium als Salz ausfällt.

Die Projektbeteiligen setzen derzeit auf eine möglichst große Transparenz und informieren offen auf einer eigenen Webseite über ihre Ziele. International sollen die Erkenntnisse im Rahmen des Lithium-Forums der GW-SDG-Konferenz vorgestellt werden, die vom 18. bis 20. Mai unter der Schirmherrschaft der französischen Unesco-Nationalkommission in Paris stattfinden wird.

Dann wird es auch darum gehen, welche wissenschaftlichen, technischen, sozio-ökonomischen und ökologischen Herausforderungen eine klimaneutrale Lithiumextraktion aus natürlichen geothermischen Vorkommen mit sich bringt, wenn diese im industriellen Maßstab ablaufen soll. Und vor allem ob sich das Metall wirtschaftlich extrahieren läßt. „Das erste Lithium kann in der Anlage industriell vermutlich in sechs bis zehn Jahren gewonnen werden“, sagt Jochen Kolb vom Karlsruher Institut für Technologie.

Konkurrenz aus Böhmen bei dem Projekt gibt es nicht

Viel schneller, wenn auch nicht so klimaneutral und nachhaltig, dürfte die ebenfalls geplante Förderung von Lithium im sächsischen Osterzgebirge sein, die nach ehrgeizigen Plänen des Wirtschaftsministeriums in Dresden bereits 2026 beginnen soll. Das Vorkommen, das auf rund 125.000 Tonnen geschätzt wird, hat gegenüber der technisch sehr anspruchsvollen Gewinnung von Lithium aus den Solen des Oberrheingrabens mehrere Vorteile: Der unterirdische Lithiumglimmer-Greisenkörper kann bergmännisch relativ einfach abgebaut und über eine zwei Kilometer lange Schrägrampe ans Tageslicht befördert werden, und die Bevölkerung ist seit Jahrhunderten dem Bergbau verbunden, würde sich zudem über die 250 neuen Arbeitsplätze freuen. Auch ist hier das Genehmigungsverfahren weit fortgeschritten. Konkurrenz aus dem nahen Böhmen droht nicht. Zwar gibt es im tschechischen Teil des Erzgebirges rund 1,3 Millionen Tonnen Lithium, aber als Bestandteil eines schwer abbaubaren körnigen Gesteins.

Bei der Konferenz in Paris geht es auch um die nachhaltige Bewirtschaftung der Lithiumressourcen. Dazu gehören geschlossene Rohstoffkreisläufe. Denn nicht nur die Produktionskapazitäten beim Lithiumabbau wachsen, sondern auch die bei der Wiedergewinnung von Lithium aus alten Batterien.

Auch hier gibt es Pro und Contra. Denn während die Europäische Batterierichtlinie das Recycling von Metallen fördert, gelten andererseits für Lithium sehr hohe Reinheitsanforderungen, wenn es für Batterien wiederverwendet werden soll. Dadurch werden aber die Verfahren aufwendig und teuer. Trotzdem sei es wichtig, daß insbesondere die Großindustrie Recyclingkapazitäten aufbaut, findet Daniel Horn von der Fraunhofer-Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS in Hanau.

Das schwedische Unternehmen Northvolt, Partner der deutschen Autokonzerne Volkswagen und BMW sowie von Volvo, verkündete, in einem geschlossenen Kreislauf E-Auto-Batterien zu bauen und zu recyceln. Im November stellte es die erste Batterie vor, die bei Nickel, Mangan und Kobalt aus 100 Prozent recyceltem Material besteht. Der industrielle Produktionsbeginn soll im kommenden Jahr starten. Dann soll auch Lithium recycelt werden.

 An der Uni Gießen tüfteln derweil Wissenschaftler an einer Lithium-Festkörperbatterie, die viel leichter und energiedichter als herkömmliche ist, somit eine höhere Reichweite hat, vor allem aber besser zu recyceln ist. Geforscht wird auch an Lithium-Luft-Batterien oder Zink-Luft-Batterien, die zwar als leistungsstark gelten, aber noch instabil sind.

Zumindest vorerst bleibt Lithium also unersetzbar und damit interessant. Weltweit sind aktuell rund 62 Millionen Tonnen Lithium in unterschiedlichen Regionen nachgewiesen. Die ökonomisch verwertbaren Reserven liegen bei 14 Millionen Tonnen. Ob sie aber überhaupt alle abgebaut werden, ist ungewiß. Denn ebenso wie erste Hersteller an kobaltfreien Batteriezellen arbeiten, könnten, so Wissenschaftler der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), künftig Feststoffe die bisherigen Elektrolyt-Lösungen ersetzen. Sie rechnen mit Natrium-Ionen-Batterien, die in wenigen Jahren auf den Markt kommen könnten. Alternativen könnten aber auch Batterien auf der Basis von Magnesium, Calcium oder Aluminium sein.

Wasser in den Wein schüttet jedoch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). „Metalle können sich in der globalen Energiewende aufgrund steigender Nachfrage als Engpaßfaktor erweisen“, warnt das Berliner Institut. Im Netto-Null-Emissionen-Szenario könnten Preise von wichtigen Metallen – Lihium steht dabei an der Spitze – „für die Energiewende auf historische Höhepunkte steigen“. Die Einnahmen von Metallproduzenten seien dann „ähnlich hoch wie Einnahmen von Ölproduzenten“. 

Um die Preisanstiege zu begrenzen, sei eine „entschiedene, global koordinierte Klimapolitik erforderlich, die mehr Planungssicherheit für Metallproduzenten schaffe“, so die Empfehlung des DIW an die politisch Verantwortlichen.

Foto: Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD, l.) läßt sich mit Lithium durchsetztes Erz zeigen: 2026 soll die Produktion beginnen