© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/22 / 04. Februar 2022

Blick in die Medien
Reklame mit Haltung
Tobias Dahlbrügge

Influencer ist unter Jugendlichen ein populärer Berufswunsch abseits des Büroalltags, so wie früher Sänger. Aber wer sich in der digitalen Welt weit aus dem Fenster lehnt, muß leider damit rechnen, mit Dreck beworfen zu werden. Eine unüberschaubare Anzahl an Initiativen kämpft bereits gegen Haßsprache im Internet – und mischt reichlich linke Ideologie dazu (JF 49/21). Doch auch immer mehr Konzerne springen auf den Anti-Hate-Zug auf und verpassen sich mit plumpem bunten „Social Signaling“ einen leuchtenden Haltungs-Werbeanstrich, um die eigenen Produkte feilzubieten.

Die Telekom hat nun die Kampagnen „Gegen Haß im Netz“ auf Youtube gestartet. Die „Influencerin“ Diana zur Löwen, der Rapper Eko Fresh und die Psychologin Antje Latendorf konfrontieren junge Nachwuchs-Selbstdarsteller bei einem angeblichen Casting mit authentischen Beleidigungen aus den Kloaken des Internets. Diese reagieren verletzt und verunsichert. Das soll die Zuschauer emotional sensibilisieren.

Das Projekt fand unter kontrollierten Bedingungen mit psychologischer Begleitung statt.

Nun sind beleidigende Kommentare aus dem Dunkel der Anonymität tatsächlich widerwärtig und ein Problem. Andererseits: Was haben sich diese Schneeflöckchen gedacht? Daß sie für ihre oft fragwürdigen Präsentationen das Köpfchen getätschelt bekommen? Vielsagend: Die Kommentarfunktion ist deaktiviert, und der Clip enthält eine „Trigger-Warnung“: „Die folgenden Inhalte können verstörend wirken. Das Projekt fand unter kontrollierten Bedingungen mit psychologischer Begleitung statt.“

Nebenbei wird unverhohlen Reklame gemacht. Diana zur Löwen säuselt: „Die Telekom hat die passenden Partner für dich parat.“ Und der Konzern salbadert gefühlig: „Die Telekom kämpft für ein Netz ohne Haß, in dem wir alle respektvoll miteinander umgehen. Es ist unsere gesellschaftliche Verantwortung, hier zu handeln. Und wir sind erst zufrieden, wenn im digitalen Raum alle ohne Angst dabeisein können.“

Die Kampagne wird unterstützt von der Telekom-eigenen Initiative „Tech Today“ zur Förderung der Medienkompetenz von Kindern sowie dem Angebot „frnd“ der Deutschen Depressionsliga. Wer kümmert sich eigentlich um „Rechte“, die im Netz Opfer von Mobbing werden?