© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/22 / 04. Februar 2022

An der Oberfläche kratzen
ARD und ZDF: Die Länder streiten um eine Reform der Rundfunkanstalten
Ronald Berthold

Wie geht es weiter mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten? 2022 wird ein entscheidendes Jahr für ARD, ZDF und Deutschlandradio. Bis zum 31. Dezember sollen ein neuer Medienstaatsvertrag und damit auch eine Reform stehen. Daß „Das Erste“ als Fernsehprogramm „abgeschaltet“ wird, wie die sachsen-anhaltische CDU-Fraktion kürzlich forderte, dann aber wieder relativierte, ist ausgeschlossen. Dafür gibt es nicht annähernd eine Mehrheit.

Fragt man die Chefs der 16 Staats- und Senatskanzleien, wie es die FAZ jüngst getan hat, genießt der neue Vertrag ohnehin keine Priorität. „Haß und Hetze“ im Netz zu bekämpfen und digitale Plattformen zu regulieren steht ganz oben auf der medienpolitischen To-do-Liste der Bundesländer. Zudem möchte die Politik die „unabhängigen Qualitätsmedien“ stärken.

Ansätze für eine neue Beitragsgestaltung

Dazu zählen nach staatlicher Definition die öffentlich-rechtlichen Anstalten. Durchaus gibt es hier auch kritische Stimmen. So will Bayerns Staatskanzleichef Florian Herrmann „den Auftrag auf den Kern fokussieren, also auf Information, Bildung und Kultur“. Außerdem regt er „mehr Kooperation“ zwischen ARD und ZDF „im Programm wie in der Verwaltung und Produktion“ an. Synergieeffekte zu nutzen, würde Kosten sparen. Doch ob sich das auf den Rundfunkbeitrag niederschlägt, scheint unwahrscheinlich. Vielmehr ist eine „Indexierung“ im Gespräch, die die Gebühr an die Inflationsrate koppelt.

Bis auf den medienpolitischen Sprecher der sachsen-anhaltischen CDU-Fraktion, Markus Kurze, wagt sich niemand an die politische Ausrichtung heran. „Wir sind der Meinung, daß im öffentlich-rechtlichen Rundfunk oft Minderheitenmeinungen stärker vorkommen als die Meinung der Mehrheit.“ Daher fordert er die Sender auf, „nicht nur diejenigen zu Wort kommen zu lassen, die immer noch mehr und mehr Klimaschutz wollen, sondern auch diejenigen, die das bezahlen müssen“. Ebenso verlangt er, die Anstalten sollten auf das Gendern verzichten.

Magdeburgs Kulturminister Rainer Robra (CDU) ergänzt, es müsse auch diskutiert werden, welchen Beitrag die Rundfunkanstalten bringen könnten, um die Akzeptanz in der Bevölkerung für ihre Angebote und ihre Finanzierung zu sichern. Das Angebot der Sender müsse für sich sprechen, meint auch die rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin Heike Raab (SPD). Sie zweifelt, ob es auf Dauer richtig sei, daß das Bundesverfassungsgericht und die Länder die Bedeutung der Anstalten den Bürgern erklären. Die Sender sollten durch ihr Programm überzeugen und auch Strukturveränderungen vornehmen. Doch welche das genau sein könnten, läßt sie im unklaren. Das gilt auch für die meisten ihrer Kollegen. Außerdem sind die Vorstellungen in den Ländern zu unterschiedlich und hängen oft von der Zusammensetzung der Koalition ab. Die Grünen zum Beispiel stemmen sich gegen Veränderungen und bezeichnen die Diskussion über die Beschränkung der ARD auf die Dritten Programme als „rechtes Freidrehen“. Vorschläge für wirklich tiefgreifende Reformen der Öffentlich-Rechtlichen landen so schnell in der Schmuddelecke. Dadurch, daß alle 16 Länderparlamente zustimmen müssen, wird die Reform wohl auf den kleinsten gemeinsamen Nenner hinauslaufen. Erstmals konnten sich die Konsumenten bis Mitte Januar an der Debatte beteiligen. Laut Raab seien „unendlich viele Ideen und Überlegungen“ eingegangen. Aber auch hier wird inhaltlich kein klares Bild sichtbar, wenn die Politikerin das Ergebnis referiert: „Mehr Krimis, weniger Krimis; mehr Heimatserien, weniger Heimatserien oder auch mehr Quiz-Formate, weniger Quiz-Formate.“ Allerdings räumt sie ein, daß „das ‘Gendern’, also der geschlechterbewußte Sprachgebrauch“ ein Thema sei, das viele bewege. Wofür sich die Mehrheit ausspreche, verrät sie nicht.

Interessant klingt, daß die Zuschauer radikal über Bezahlmodelle nachdenken: „So wird vorgeschlagen“, sagt die Staatssekretärin, „bei der Höhe des Beitrages stärker zu differenzieren und beispielsweise Variablen zu berücksichtigen oder – ähnlich der Abo-Modelle bei privaten Anbietern – Paket-Lösungen anzubieten“. Den frischen Ideen nimmt sie sogleich den Wind aus den Segeln. Denn diese bezögen sich „nicht auf den Staatsvertragsentwurf“. Daher werde man den Sendern dazu auch „keine Vorschläge unterbreiten“. Raab lehnt es ab, den Entwurf aufgrund der Zuschauerbeteiligung neu zu fassen. Dafür bestehe „keine Notwendigkeit“. Denn: „Wir sind auf dem richtigen Weg.“ Man wolle vor allem „der digitalen Transformation mehr Raum geben“ und habe den „richtigen Entwurf zur richtigen Zeit auf den Tisch gelegt“.

Foto: Mikrofone von ZDF und ARD (SWR): Auch künftig wird doppelgemoppelt gedreht und interviewt