© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/22 / 04. Februar 2022

Erziehung zur Akzeptanz der Sterilisierung
Hilfsschulen unterm NS-Regime
(dg)

Unter Sonderpädagogen, Wissenschaftlern wie Praktikern halte sich hartnäckig der „Mythos von der Bedrohung der Hilfsschule im Nationalsozialismus“. Deren Schüler, vom Regime als „unheilbar Erbkranke eingestuft und zur Ausrottung vorgesehen“, schwebten daher in ständiger Lebensgefahr. Ihren Lehrern sei es jedoch gelungen, die geplante Abschaffung der Hilfsschule als Institution abzuwenden und behinderten Kindern einen Raum zu bewahren, so daß die meisten nicht Opfer von Zwangssterilisationen oder Euthanasie-Morden wurden. Die emeritierte Erziehungswissenschaftlerin Dagmar Hänsel (Bielefeld) glaubt aber genau das nachweisen zu können. Zwar sei es dem Hilfsschulverband gelungen, die mit dem Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom Juli 1933 verbundene Einstufung seiner Einrichtungen als „Erbkrankenschulen“ zu stoppen und damit das Gros ihrer Zöglinge als „hilfsbedürftig“ zu klassifizieren. Doch um den Preis, daß Lehrer sich an der „volklichen Brauchbarmachung“ ihrer Schüler im Sinne einer „Erziehung zur Akzeptanz der Sterilisierung“ beteiligten. Sie hätten damit die Hilfsschule zum Werkzeug der Rassenpolitik degradiert, auch wenn sie bei „Grenzfällen“ die Sterilisation verhüteten (Bildungsgeschichte. International Journal for the Historiography of Education, 11/2021). 


 www.klinkhardt.de