© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/22 / 04. Februar 2022

Kicken unterm Halbmond
Ölgeld macht es möglich: Der Einfluß islamischer Staaten und Dynastien auf den Fußball wächst rasant
Ronald Berthold

Ungewohnte 30.000 Zuschauer beim spanischen Fußball-Supercup-Finale sind in Zeiten der deutschen Geisterspiele allein schon eine Nachricht wert. Wahrscheinlich wären aber noch viel mehr gekommen, wenn das Spiel in Spanien stattgefunden hätte. Hat es aber nicht. Real Madrid und Athletic Bilbao trafen kürzlich im saudi-arabischen Riad aufeinander. Der Austragungsort ist ein Symptom für die Arabisierung des europäischen Fußballs, die längst auch Deutschland erfaßt hat.

Bleiben wir kurz bei der spanischen „Super­copa“. 30 Millionen Euro zuzüglich Spesen ließ sich der Scharia-Staat die Austragung des Turniers kosten. Denn ein Endspiel zwischen Meister und Pokalsieger ist das ganze auch nicht mehr, es wurde um die jeweiligen Zweiten aufgeblasen. Der Geldregen prasselt auf den spanischen Verband und die vier Klubs hernieder. Sieger wurden die „Königlichen“ aus der Hauptstadt. Schon vor fünf Jahren hat Real sein Wappen geändert – ausdrücklich, um in der islamischen Welt attraktiv zu sein: Das christliche Kreuz auf der Krone wurde entfernt. Mehr Käuflichkeit geht kaum – könnte man meinen. Aber die Aktion scheint sich gelohnt zu haben – zumindest finanziell.

Spielersammlungen wie im Aufkleberheft

Auch in Frankreich und England dominieren die reichen Ölstaaten aus dem Morgenland die Wettbewerbe. Manchester City gehört zu 86 Prozent dem Emirat Abu Dhabi oder genauer gesagt: dessen Herrscherfamilie. In den vergangenen vier Jahren wurde der Verein mit den Abermilliarden aus Arabien dreimal englischer Meister und einmal Vize. 

Es gibt keinen Spieler, den sich die „Himmelblauen“ nicht leisten könnten. Dieser Wettbewerbsverzerrung müssen die Fans tatenlos zusehen. Einen zweijährigen Ausschluß der „Citizens“ aus den europäischen Wettbewerben wegen massiver Verstöße gegen das „Financial Fairplay“ kassierte der internationale Sportgerichtshof wieder ein.

Dieses Präzedenzurteil dürfte die Schamlosigkeit noch steigern. Es gibt kein Halten mehr. In Paris geht man längst ähnliche Wege. Sagenhafte anderthalb Milliarden Euro hat der Staat Katar über einen Ölfonds in den vergangenen acht Jahren in den Verein PSG gepumpt. Aus einem Abstiegskandidaten wurde so der Dauermeister. Inzwischen kicken die Weltstars Mbappé, Neymar und Messi in der Elf. Superstars werden gesammelt wie Panini-Aufkleber. Und es geht weiter: Unter dem Jubel der Fans, die in Scheichkostümen ins Stadion kamen, wurde der Traditionsklub Newcastle United gerade an Saudi-Arabien verscherbelt. Sollte der englische Revierklub dieses Jahr absteigen, wonach es nach nur einem Sieg aus 20 Spielen aussieht, macht das auch nichts. Die Araber haben einen langen Atem und werden demnächst wohl um die Weltstars mitbieten. Das wiederum wird die aberwitzigen Ablösesummen und Spieler-Gehälter weiter in die Höhe treiben.

Neidvoll gucken die deutschen Vereine auf die arabische Geldflut, von der sie durch die 50+1-Regel in den DFL-Statuten in diesem Ausmaß ausgeschlossen bleiben. Diese besagt, daß es Investoren nicht möglich ist, die Stimmenmehrheit bei Kapitalgesellschaften zu übernehmen, in die Fußballvereine ihre Profimannschaften ausgliedern.

Die Krümel, die abfallen, verteidigt man aber bis aufs Blut. Als kürzlich auf der Hauptversammlung Mitglieder die Partnerschaft des FC Bayern München mit Katar kritisierten, wurde die Veranstaltung kurzerhand abgebrochen, was wiederum Tumulte auslöste. Da hatte man offenbar schon die Praktiken des Geldgebers übernommen.

Apropos Katar: Schon vor sechseinhalb Jahren forderte der damalige Bayern-Boß Karlheinz Rummenigge, das deutsche Supercup-Endspiel „ins Ausland“ zu verlegen. Im Stile der Ex-Kanzlerin bezeichnete er dies als „alternativlos, wenn man mit den Großen mithalten will“. Rummenigge wurde 2013 zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er zwei Luxusuhren, die ihm das Emirat schenkte, nicht verzollte. Nach der für diese Geschenke erwarteten Gegenleistung hat ihn übrigens nie jemand gefragt.

Noch unverfrorener geht Fifa-Präsident Gianni Infantino vor. Mit seiner Familie hat der Schweizer, gegen den in seinem Heimatland wegen Amtsmißbrauchs, Verletzung des Amtsgeheimnisses und Begünstigung ermittelt wird, nun seinen Wohnsitz in den arabischen Staat verlegt. Nach Recherchen des Schweizer SonntagsBlick verbringt Infantino in Katar, wo im kommenden Winter auch die mutmaßlich gekaufte Weltmeisterschaft stattfindet, sein Leben oft an der Seite des Emirs.

Fotos: Warmlaufen für die Weltmeisterschaft, Algerien gewinnt den Fifa Arab Cup in Katar: Gute Kontakte zwischen Emir und Sportfunktionären; PSG-Präsident Nasser Al-Khelaifi mit Starspieler Mbappé: Millionen für Transfers