© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/22 / 11. Februar 2022

Mattias Tesfaye. In Dänemark macht ausgerechnet der Sohn eines Flüchtlings Einwanderungspolitik im Stile Sarrazins.
Vom Maurer zum Minister
Christoph Arndt

Mattias Tesfaye hat sich kürzlich mit der Aussage, daß die Hälfte der Asylbewerber in Europa in keiner Weise schutzbedürftig ist, reichlich Zorn zugezogen. Für „viele deutschsprachige Medien und linke Politiker“ sei er gar „das personifizierte Böse“, so die NZZ, rede er doch der „wohl härtesten Einwanderungspolitik Europas“ das Wort. Und das auch noch als Sozialdemokrat und Einwandererkind!

Denn Tesfaye wurde 1981 in Aarhus als Sohn eines äthiopischen Asylbewerbers und einer dänischen Sozial- und Gesundheitsassistentin mit Wurzeln in Eckernförde geboren. Das Abitur brach er ab und absolvierte in dualer Ausbildung eine Maurerlehre. Parallel engagierte er sich zunächst in der marxistisch-leninistischen Splitterpartei DKP, dann in der rot-grünen, linksradikalen „Einheitsliste“ und schließlich der gemäßigteren Sozialistischen Volkspartei, deren Vizechef er 2012 kurzzeitig war. Zudem arbeitete er für eine Industriegewerkschaft. 2013 jedoch wechselte er zu den Sozialdemokraten.

Sein Marsch von links außen bis in die linke Mitte war mit einem Sinneswandel in der Zuwanderungsfrage verbunden. Wer das für einen Widerspruch hält, dem entgegnet Tesfaye, daß es in Dänemark die Linke war, die bis in die sechziger Jahre Einwanderung wegen der Jobkonkurrenz kritisierte, während die Rechte dem Import billiger Arbeitskräfte das Wort redete. An seinem Engagement für die Sache der einfachen Leute läßt er keinen Zweifel, seit 2010 prangerte er zunehmend Sozialdumping, Akademisierungswahn in der Bildungspolitik sowie die gescheiterte Integration an. 

Integration scheitert nicht an Diskriminierung, sondern an Selbstexklusion bestimmter Einwanderergruppen.

Nachdem ihm 2015 in Kopenhagen, wo er mit Frau und drei Kindern wohnt, der Sprung ins Folketing, das dänische Parlament, gelang, wurde er zusammen mit Fraktionschef Henrik Sass Larsen zum Architekten des Kurswechsels der Sozialdemokraten in der Asyl- und Zuwanderungspolitik – was die seit 2001 andauernde bürgerliche Dominanz brechen sollte. Denn von 1998 an hat die Partei, mit Ausnahme 2011, alle Folketings-Wahlen verloren, was Tesfaye und Sass Larsen an der Zuwanderungsfrage festmachten.

Zwei Jahre später erschien sein Buch „Willkommen Mustafa“, in dem sich Tesfaye an der Migrationspolitik seiner Partei nach 1967 und der Bildung von Parallelgesellschaften in Dänemark abarbeitet. Es erklärt auch seinen Sinneswandel: Selbst aus einem Problemviertel stammend, zeigt er auf, daß gescheiterte Integration nicht hauptsächlich durch Diskriminierung, sondern durch Selbstexklusion von Zuwanderergruppen entsteht, die durch großzügig gewährte Sozialleistungen noch begünstigt wird. 

Zwar gelang seiner Partei trotz eines deutlichen Wahlsiegs des linken Lagers 2019 nur eine Minderheitsregierung, doch seitdem bekleidet Tesfaye das Amt des Zuwanderungs- und Integrationsministers. Er kündigte an, die Asylbewerberzahl auf null zu senken, was aber nicht heißt, keine Flüchtlinge mehr aufzunehmen. Vielmehr hat der Minister das herkömmliche Asylsystem als Magnet für unkontrollierte Migration nach Europa identifiziert. Die will er gar nicht unterbinden, sondern regulieren, um ihre massiven negativen Begleiterscheinungen zu eliminieren.

Es ist im Grunde die Politik, die in Deutschland Thilo Sarrazin gefordert hat – die hierzulande aber nicht in ein Ministeramt, sondern zur sozialen Ausgrenzung und Verleumdung als „Rassist“ führt.