© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/22 / 11. Februar 2022

Rechtes Haar in der akademischen Suppe
Hochschulpolitik: Kritik an Gender-Sprache und Lob für die Bundeswehr sind dem „Student_innenRat“ der Universität Leipzig ein Graus
Tobias Albert

Die sogenannte „Cancel Culture“, also jene Unsitte, mißliebige Personen oder Organisationen systematisch auszuschließen und aus dem Diskurs zu verbannen, greift nicht nur bei großen Namen um sich. Sie zeigt sich auch im Kleinen, wie aktuell im Mikrokosmos der Hochschulpolitik an der Universität Leipzig. Zum wiederholten Mal hat dort der „Student_innenRat“ (StuRa) – eine Art Mischung aus dem, was in anderen Bundesländern traditionell das Studentenparlament (JF 35/20) und Allgemeiner Studentenausschuß (AStA) sind – dem Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) den Status als Arbeitsgruppe verweigert. Das unterscheidet die CDU-nahen Hochschüler zum Beispiel von den „Studierenden gegen Blutkrebs“, Studentenblasorchester „Blaswerk-Leipzig“, von der Hochschulgruppe der Satire-Partei „Die Partei“, dem Nachwuchs der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (Junge GEW) oder dem Sozialistisch-demokratischen Studierendenverband.

Der Arbeitsgruppen-Status ist mit einem geringen finanziellen Zuschuß von 50 Euro im Jahr verknüpft, aber beinhaltet vor allem das Recht, Räume der Universität für eigene Veranstaltungen zu verwenden und sich bei offiziellen Einführungsveranstaltungen der Universität den neuen Studenten vorzustellen – für jede Hochschulgruppe ein essentieller Bestandteil der Mitgliederwerbung.

„Eine Schande für die Meinungsfreiheit“

Als Reaktion veröffentlichte die Vorsitzende des RCDS Leipzig, Wirtschaftsstudentin Katharina Dziurla, nun einen offenen Brief im Namen des RCDS, der den StuRa scharf attackiert. Es sei „eine Schande für die Meinungsfreiheit.“ Die Anerkennung als Arbeitsgruppe sei nicht wegen formaler Gründe verweigert worden, sondern es sei „offensichtlich, daß einige StuRa-Mitglieder unseren Antrag aufgrund persönlicher politischer Meinungen abgelehnt haben“. Man habe offenbar ein Haar in der Suppe gefunden und „mit zweierlei Maß gemessen“, um Gründe für eine Ablehnung des Antrags zu finden. Mitglieder des StuRas würden versuchen, „unsere Hochschulgruppe zu diffamieren, indem wir zum Beispiel als menschenfeindlich und queerfeindlich bezeichnet wurden“, um damit „den RCDS mundtot zu machen und uns so als Konkurrenz in der politischen Hochschulwelt auszuschalten“. Hierbei geht es um durchaus prestigeträchtige Positionen: So wurde bei der letzten Hochschulwahl 2021 ein Medizinstudent für den RCDS in den Universitätssenat gewählt.

Für StuRa-Geschäftsführer Jacob Preuß ist die Verweigerung des Status als Arbeitsgruppe dagegen ein normaler demokratischer Vorgang: 15 Mitglieder hatten auf der betreffenden Sitzung dafür gestimmt, den RCDS zu fördern, 23 dagegen. Vier Studenten enthielten sich. „Jede und jeder Entsandte hat das Recht, die Stimme so abzugeben, wie sie oder er das möchte“, sagte er der Leipziger Volkszeitung (LVZ). Die Mehrheit sei der Meinung, der RCDS vertrete Inhalte und Meinungen, die den Anliegen des StuRa entgegenstünden. So bemühe sich die Studentenvertretung beispielsweise  „um eine geschlechtergerechte Sprache“. Eine RCDS-Wahlwerbung habe dagegen Gendern als „Ausdruck einer elitären Hochschulintelligenz und ideologisch verklärte Identitätspolitik“ bezeichnet. Außerdem stießen sich StuRa-Mitglieder daran, daß sich der RCDS „in den sozialen Medien für die Bundeswehr stark macht“.

Im Internet kündigt der RCDS Leipzig an, andere Mittel zu ergreifen und sich an höhere Instanzen wenden zu wollen, um sich den AG-Status zu erkämpfen. Die LVZ bezeichnet den offenen Brief als „Streit um eine kleine Summe und große Symbolik“, dennoch wurde der Leipziger Aufruf von zahlreichen RCDS-Mitgliedern an anderen Hochschulstandorten im Netz geteilt. 

Seit der Wahl seiner neuen Bundesvorsitzenden Franca Bauernfeind im Oktober vergangenen Jahres nimmt der RCDS zunehmend schärfere Positionen gegenüber Identitätspolitik und Gendern an Hochschulen ein. Das Bewußtsein, daß in den Universitäten die Cancel Culture einen neuen Kulturkampf ausbrechen läßt, scheint auch in der Unionsfamilie anzukommen.