© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/22 / 11. Februar 2022

Bilanz der Woche
Genuß ohne Knöllchen
Christian Vollradt

So glamourös wie man es sich vorstellt, ist das Diplomatenleben auch nicht (mehr). Soiree hier, Cocktailabend da, gehobener Smalltalk in prächtigen Residenzen, ständig in Gesellschaft wichtiger Frauen und schöner Männer – alles bloß Klischee. Und selbst die aufwendig bestickten Gala-Uniformen der Botschafter sind aus dem Regierungsviertel fast ganz verschwunden. Um so wertvoller die Privilegien, die den Damen und Herren des Diplomatischen Corps noch verblieben sind. Dazu gehört ihre Unantastbarkeit – und die des gesamten Botschaftspersonals – im Straßenverkehr der Hauptstadt. Davon hat manch einer unserer ausländischen Gäste reichlich Gebrauch gemacht. Annähernd 10.000 Verstöße von Fahrzeugen mit dem charakteristischen 0-Kennzeichen hat Berlins Polizei im vergangenen Jahr registriert. Umgerechnet in Bußgeldern entspricht dies einer Summe von 200.000 Euro, teilte der Senat auf Anfrage der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus mit. Wobei es sich wegen besagter Immunität um einen theoretischen Betrag handelt. Häufigstes Delikt: Falschparken und Geschwindigkeitsüberschreitung. Und die zehn fleißgsten Missetäter-Nationen: Saudis, Griechen, Amerikaner, Irakis, Russen, Sudanesen, Ägypter, Jemeniten, Indonesier und Turkmenen. Immerhin habe die Zahl diplomatischer Verkehrsverstöße in den vergangenen Jahren abgenommen. So wurden 2018 noch mehr als 21.000 Ordnungswidrigkeiten verzeichnet. Ob die Diplomaten disziplinierter geworden sind oder die Berliner Polizei seltener kontrollierte, ist nicht bekannt. Straffrei bleiben wohl auch jene, die an den 46 Verkehrsunfällen beteiligt waren; bei 28 davon besteht der Verdacht der Unfallflucht. Obacht also, wenn ein Fahrzeug mit dem Kennzeichen 0-118 (Saudi-Arabien), 0-48 (Griechenland) oder 0-17 (USA) auftaucht. Und im Fall der Fälle: Lieber gleich eigenhändig abkassieren.