© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/22 / 11. Februar 2022

In Flecktarn zum Edelmetall
Sportsoldaten: Die Bundes-wehr ist wieder mit Athleten bei Olympia vertreten
Peter Möller

Nach militärischen Kategorien ist die Bundeswehr derzeit in Zugstärke in China. Doch natürlich geht es der Truppe nicht um militärische Eroberungen, sondern um die Jagd nach Medaillen. Denn bei den Olympischen Winterspielen in Peking haben auch die Sportsoldaten der Bundeswehr wieder ihren großen Auftritt – und das bezieht sich nicht nur auf die Erfolgsaussichten der Athleten in Flecktarn, sondern auch auf ihren Anteil an der deutschen Mannschaft. 

Von den 149 Sportlern, die in die chinesische Hauptstadt gereist sind, leisten 55 Männer und Frauen – und damit ein gutes Drittel – ihren Dienst in einer der 15 Sportfördergruppen der Bundeswehr. Und der erste Erfolg in Peking ließ nicht lange auf sich warten: Am Montag holte Hauptfeldwebel Denise Herrmann das erste Gold für die Bundeswehr und damit das zweite Edelmetall für Deutschland. Ausgerechnet im Biathlon, also der Sportart, die ihren Ursprung im Militär hat.

Wehrdienst sollte nicht dem Spitzensport im Weg stehen

Seit mehr als 50 Jahren kämpfen Bundeswehrsoldaten bei nationalen und internationalen Sportveranstaltungen nun schon um Medaillen. Und die Bilanz kann sich sehen lassen: Seit 1964 wurden bei Olympischen Spielen 304 Medaillen unter Beteiligung von Sportsoldaten errungen, rechnet die Bundeswehr stolz auf ihrer Internetseite vor. „Bei den Sommerspielen seit 1964 waren das im einzelnen 54 Gold-, 50 Silber- und 76 Bronzemedaillen. Die Bilanz bei den Winterspielen ab 1968 lautet: 47 Gold-, 48 Silber- und 29 Bronzemedaillen. Bei den vergangenen 14 Olympischen Winter- und Sommerspielen seit 1992 waren Spitzensportler und Sportlerinnen der Bundeswehr an rund 44 Prozent der errungenen Medaillen beteiligt.“ Hinzu kommen unzählige Titel und Spitzenplazierungen bei sonstigen nationalen und internationalen Wettkämpfen.

Ihren Ursprung hat die Sportförderung der Bundeswehr, die der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) in seinem Nationalen Spitzensportkonzept als unverzichtbar bezeichnet und die es in geringerem Umfang auch beim Zoll und der Bundespolizei gibt, in den sechziger Jahren. Ziel war es, Spitzensportlern, die ihren Wehrdienst leisten mußten, zu unterstützen. Ihnen wurde daher während der Dienstzeit ermöglicht, weiter zu trainieren. 

Vor den Olympischen Spielen 1972 in München beschloß der Bundestag 1968 darüber hinaus, wehrpflichtige Spitzensportler an Standorte einzuberufen, die in der Nähe von Olympiastützpunkten lagen. Aus dieser Idee entstanden die heutigen 15 Sportfördergruppen der Bundeswehr mit insgesamt 850 Förderstellen, die nach Angaben der Bundeswehr zu hundert Prozent besetzt sind.

Für die Spitzensportförderung standen der Bundeswehr nach eigenen Angaben 2021 46 Millionen Euro zur Verfügung. In erster Linie handele es sich dabei um Personalkosten, aber auch um Beschaffungskosten, „etwa für Bundeswehrsportanzüge“. Die Spitzensportler werden seit der Aussetzung der Wehrpflicht grundsätzlich als freiwillig Wehrdienstleistende für elf Monate eingestellt. Im Anschluß können sie, abhängig von der soldatischen Eignung sowie sportfachlicher Einschätzung ihres Verbandes als Soldat auf Zeit die Laufbahn der Mannschaften oder Unteroffiziere einschlagen.

Doch trotz aller Erfolge regt sich seit Jahren auch Kritik an der Sportförderung der Bundeswehr. Hauptvorwurf: Das System sei nicht sehr effizient, zu viel Geld versickere in den Strukturen.  Vor allem seit den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro wächst die Kritik. „Ganze 19 Bundeswehr-Sportsoldaten haben in Rio eine Medaille gewonnen – von 821, die dort angestellt sind. Das ist viel zu wenig“, kritisierte damals der Sportökonom Wolfgang Maennig im Deutschlandfunk. Er forderte, das Geld besser und effizienter in andere Formen der Sportförderung zu investieren.

Zuvor hatte bereits der Athletensprecher des Deutschen Olympischen Sportbundes, Max Hartung, den Nutzen dieser Sportförderung bezweifelt. Mit etwa 50 Millionen Euro jährlich gebe die Bundeswehr vergleichsweise viel Geld aus. Seiner Ansicht nach würde es mehr Sinn haben, das Steuergeld direkt an Sportler auszuschütten – und nicht über die Bundeswehr.

Als Reaktion auf die Vorwürfe legte die Bundeswehr ein Konzept zur Weiterentwicklung der Sportförderung vor, das unter anderem den Bedürfnissen der Spitzensportler für die Zeit nach dem Ausscheiden aus der Bundeswehr mit Weiterbildungsmöglichkeiten und beruflichen Perspektiven stärker Rechnung trägt. Mit einer flexibleren und angepaßten Laufbahnausbildung und einer verkürzten Ausbildung zum Unteroffizier will die Bundeswehr der zeitlichen Beanspruchung der Sportsoldaten entgegenkommen. Zudem ist es nun möglich, ehemalige Angehörige der Sportfördergruppen als hauptamtliche militärische Sportausbilder weiterzubeschäftigen. Ebenfalls auf die Zeit nach dem Karriereende ziele der 2019 erstmals angebotene Bachelorstudiengang „Sportwissenschaft – Gesundheit, Prävention, Rehabilitation“ mit gleichzeitiger Öffnung der Offizierslaufbahn für die Sportsoldaten ab.

Doch trotz dieser Maßnahmen ist die Kritik nicht völlig verstummt. Aber spätestens wenn der nächste Bundeswehrsoldat eine olympische Medaille für Deutschland holt, ist die Diskussion über Sinn und Unsinn der Sportförderung – zumindest für den Augenblick – wieder vergessen.

Foto: Goldmedaillen-Gewinnerin und Hauptfeldwebel Denise Herrmann beim olympischen Biathlon in Zhangjiakou: 44 Prozent des Erfolgs