© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/22 / 11. Februar 2022

Risse auf der rechten Seite
Italien: Lega-Chef Matteo Salvini liebäugelt mit der Gründung einer Zentrumspartei, um Kontrahentin Giorgia Meloni auszubooten
Fabio Collovati

Nach der durchaus chaotischen Wiederwahl des italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella ist eine Einigung des „Mitte-Rechts-Lagers“ weiter entfernt denn je. Der Vorsitzende der rechten Lega, Matteo Salvini, der die „Allparteien-Koalition“ des amtierenden Ministerpräsidenten Mario Draghi unterstützt, sprach am vergangenen Wochenende mit Blick auf seine bisherige Verbündete Giorgia Meloni von den rechtspopulistischen Fratelli d’Italia (FdI; Brüder Italiens): „Unser Bündnis ist geschmolzen wie Schnee in der Sonne. Dabei habe ich mich sehr bemüht.“

 Meloni sieht das anders. Seit Salvinis Lega den 80jährigen Mattarella wiedergewählt hat, ist sie auf Krawall gebürstet. Italienische Medien wie Italiens auflagenstärkste Zeitung Corriere della Sera oder die im Besitz von Paolo Berlusconi, Bruder des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, befindliche Il Giornale berichten von folgendem Vorfall: Salvini habe bei Meloni angerufen und gefragt, ob diese im Büro sei. Er käme „mal kurz hoch“, um das weitere Vorgehen zu besprechen. 

Venetiens Lega-Chef ist nicht amüsiert 

Ursprünglich war vereinbart, daß das Mitte-Rechts-Bündnis einen gemeinsamen Kandidaten nominiert. Dies sollte quasi der Probelauf für die Parlamentswahl im kommenden Jahr sein. Während Meloni wartete und wartete, trat Salvini vor die TV-Kameras und verkündete seine Unterstützung für Mattarella. Seitdem ist das Mitte-Rechts-Bündnis pulverisiert. Salvinis Lega und die Forza Italia des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi sowie einige Abspaltungen seiner Partei sind Bestandteil der Koalition um Draghi. 

Melonis Partei, die bei der zurückliegenden Parlamentswahl lediglich gut vier Prozent erreichte, sitzt in der Opposition. Doch die Vorzeichen haben sich geändert. Die einstmals stärkste Partei, die linkspopulistische 5-Sterne-Bewegung, befindet sich in einer Art Dauerkrise. Berlusconis konservative Organisation franst in alle Richtungen aus ,und Salvinis Lega stagniert in den Umfragen bei 18 Prozent. 

Um Platz eins rangeln derzeit die Sozialdemokraten und Melonis FdI, die auf 20 Prozent kommt und aus diesem Grund gerne vorgezogene Neuwahlen hätte. Besonders pikant: Die populäre Meloni ist gemäß den Umfragen nach Draghi die zweitbeliebteste Politikerin des Landes und stellt Salvini deutlich in den Schatten. 

Daß Salvini seiner bisherigen Bündnispartnerin die Führungsrolle im Mitte-Rechts-Lager überlassen wird, darf getrost bezweifelt werden. Und so überraschte es wenig, als er in der vergangenen Woche ankündigte, mit Berlusconi über die Gründung einer Zentrumspartei sprechen zu wollen, deren Vorbild die US-Republikaner sein sollen. Neben den konsolidierten Sozialdemokraten solle es „eine Partei mit verschiedenen konservativen Strömungen geben“, sagte Salvini. Und plötzlich zeigt sich der Lega-Boß auch bereit, über eine Wahlrechtsreform zu verhandeln. Nach französischem oder britischem Vorbild kämen dann nur noch die jeweiligen Wahlkreis-Sieger ins Parlament. 

„Das Ziel der Fratelli d’Italia ist es nun, das konservative Lager zu organisieren, was bedeutet, die Mehrheit der Menschen zu organisieren“, kontert Meloni. Denn auch Salvinis Pläne stoßen selbst in der eigenen Partei nicht nur auf Gegenliebe. „Wir sind eine Partei der Unabhängigkeit, und wir bleiben unabhängig“, erklärte Venetiens Präsident Luca Zaia.