© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/22 / 11. Februar 2022

Politiker überschlagen sich in Vorschlägen, Energie zu verbilligen
Gretas Grünflation
Reiner Osbild

Die Energiewende kostet einen Durchschnittshaushalt im Monat nur so viel wie eine Kugel Eis. Das stimmte 2004, doch inzwischen belaufen sich die Kosten auf über eine Billion Euro, etwa 12.000 Eiskugeln je Bundesbürger. Um den Ausstieg aus den fossilen Energien zu forcieren, werden diese besteuert und die „Erneuerbaren“ massiv subventioniert. Über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) finanzierten Normalverbraucher und Geringverdiener die Eigner von Solaranlagen, Windparks und Biogaserzeuger: eine massive Umverteilung von unten nach oben. 

Unter der Last des Strompreises gerieten Hunderttausende Haushalte in Zahlungsrückstand – und nun kommt der Weltmarkt hinzu: Coronabedingte Störungen, politisch induzierte Lieferengpässe und leere Speicher ließen Öl- und Gaspreise in die Höhe schnellen, so daß mittlerweile das Bonmot der „Grünflation“ die Runde macht. Und Politiker fast aller Couleur überschlagen sich in Vorschlägen, die Energie zu verbilligen, etwa durch Umlage der EEG-Umlage auf den Steuerzahler. Man will Wohngeldbeziehern Zuschüsse geben (JF 4/22), auch von einem Energiegeld ist die Rede.

Doch die Verteuerung der Energie weit über die symbolische Kugel Eis hinaus hatte umweltpolitisch durchaus Sinn. Der Preis für Strom und fossile Energien sollte steigen, um Unternehmen und Verbrauchern ein Signal zu setzen, weniger davon zu verbrauchen und auf grüne Energien umzusatteln. Ganz vergessen hatte man im deutschen Politbetrieb den Weltmarkt. Der spielt den CO2-Apologeten eigentlich in die Hände. Denn ob das Gas nun am Markt teurer wird oder weil der Staat Abgaben draufpackt: der Preis steigt so oder so. Was kostet die Welt, wenn sich das Leichtgewicht Deutschland mit nicht einmal fünf Prozent der Weltwirtschaftsleistung und weniger als zwei Prozent der CO2-Emissionen als John Rambo der Klimarettung aufführt? Viel! Es kostet Wohlstand, Arbeitsplätze und sozialen Frieden. Es droht die Verarmung auf breiter Front.

Die „oberen Zehntausend“ kommen gut weg, da ihr Budgetanteil für Energie nur einen Bruchteil ihres Einkommens ausmacht. Es zeigt sich, daß das Brüsseler Klimaziel, ein CO2-neutrales Europa bis zum Jahr 2050 zu erreichen, im Kern eine Verteilungsfrage ist. Solange grüne Energie nicht konkurrenzfähig ist, sei es aus Kostengründen oder wegen der fehlenden Grundlastfähigkeit, und solange zentrale Technologien wie die Stromspeicherung noch nicht marktreif sind, ist die Energiewende nur für reiche Haushalte zu stemmen. Von daher ist es logisch, daß die Gretas und Luisas aus einem millionenschweren Umfeld stammen, daß Fridays for Future & Co. durch Milliardärsstiftungen gefördert werden, und daß „Klimaaktivisten“ zumeist Gymnasiasten und Studenten sind, die in der Regel aus gut situierten Elternhäusern stammen.

Die Politik versucht nun die Quadratur des Kreises, wenn sie die Einkommensverluste, die durch die grüne Inflation entstehen, mit sozialen Transferleistungen wettzumachen versucht. Denn dies führt wiederum zu einem Emissionsplus an CO2, wenn die Menschen ihren zurückgewonnenen Handlungsspielraum nutzen – von der warmen Wohnung bis zur Fernreise. Weil die meisten Staatenlenker diese Zielkonflikte erkannt haben, haben sie im Pariser Klimaabkommen nur wachsweiche Zugeständnisse gemacht.






Prof. Dr. Reiner Osbild ist Ökonom und Ordinarius an der Hochschule Emden/Leer.