© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/22 / 11. Februar 2022

Mehr Reparaturen per Gesetz
Warum die grüne Umweltministerin Steffi Lemke auf Brüssel wartet, statt selbst zu handeln
Paul Leonhard

Wir könnten schneller arbeiten, wollen wir aber nicht – nach diesem Motto handelt derzeit Steffi Lemke und zieht sich damit den Unmut von Verbraucherschützern und Umweltaktivisten zu. Diese erwarten, daß die grüne Umweltministerin das „Recht auf Reparatur“, festgeschrieben im Ampel-Koalitionsvertrag, schnell umsetzt. Aber von einem Zeitplan ist darin keine Rede, man warte auf die Vorschläge aus Brüssel. Angesichts von Abertausenden Konsumgütern lasse sich das „nicht mit nur einem einzigen Gesetz umsetzen“, hatte Lemke dem Tagesspiegel vorgejammert. Auch sei sie kein Freund nationaler Alleingänge. Das hört Holger Lösch, Funktionär des Industrieverbandes BDI, gern: Auch er fordert mit Blick auf die Exportwirtschaft eine EU-weite Regelung.

Aber auch Brüssel hat es nicht eilig. Dort ist erst im März 2021 eine Ökodesign-Richtlinie in Kraft getreten, die verlangt, durch verbessertes Produktdesign Umweltbelastungen über den gesamten Lebensweg zu mindern. Gemeint sind Kühlschränke, Waschmaschinen, Trockner, Geschirrspüler, Bildschirme, externe Netzteile, Lampen, Elektromotoren, Transformatoren oder Schweißgeräte. Zudem wurde ein neues Energielabel erfunden. Auch BDI-Vize Lösch hält für „ökologisch sinnvoller“, neue, energieeffiziente Produkte zu kaufen, als alte zu reparieren. Das überrascht nicht, erhält er doch sein Gehalt indirekt von den Mitgliedsfirmen des Verbands der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) – und die wollen natürlich mehr Umsatz machen.

Genau von dieser Wegwerfmentalität wollen Verbraucherschützer aber so rasch wie möglich weg. Produkte sollen künftig langlebig, wiederverwendbar, recycelbar und möglichst reparierbar, der Zugang zu Ersatzteilen und Reparaturanleitungen sichergestellt sein, fordern sie. Der Freistaat Thüringen war sogar vorgeprescht und hatte im Juni 2021 einen „Reparaturbonus“ von 100 Euro eingeführt, doch das Steuergeld reichte nur bis Oktober. Firmen wie Miele, Mitsubishi oder Toyota, die viel Vertrauen in ihre Produkte haben, bieten schon gegen Aufpreis eine Garantie von zehn Jahren. Die niederländische Firma Fairphone bietet seit 2013 leicht reparierbare Smartphones an, doch Preis, Ausstattung und Design überzeugten bislang nur einige hunderttausend Käufer. Selbst Grünen-Aktivisten twittern lieber mit dem neuesten iPhone.

Aus Brüssel heißt es, die Umsetzung der Ökodesign-Richtlinie würde als offener Prozeß ohne konkrete Zielvorgabe ausgestaltet: „Nach und nach“ würden weitere Produktgruppen definiert, die „signifikante Energieeinsparungen und Umweltverbesserungen“ erwarten lassen. Bereits für 29 definierte Produktgruppen seien Durchführungsverordnungen festgelegt: Zuerst gibt es eine Vorstudie, eine Folgenabschätzung und ein umfassendes Anhörungsverfahren der EU-Mitgliedstaaten und von  deren Interessenvertretern (Industrie, Umwelt- und Verbrauchervereine). Dann tagt der Regelungsausschuß, und schließlich wird die Textfassung der EU-Kommission zur Annahme vorgelegt.

Das sollte bezüglich der Smartphones und Notebooks schon 2021 geschehen, ist aber aktuell in die zweite Jahreshälfte verschoben. Man verhandle, bestätigte ein Sprecher aus Lemkes Ministerium. Verbraucherinitiativen fordern daher einen nationalen Alleingang. Die Bundesregierung soll das Recht auf Reparatur für diese Geräte bis Mitte März zumindest „auf den Weg bringen“. Vielleicht ist ein Teil der Industrie schneller. Apple bietet seit Anfang des Jahres ein Programm zur Self-Service-Reparatur an. Ersatzteile wie Akku, Bildschirm und Kameramodul können direkt beim Konzern bezogen und dann auf eigene Faust ausgetauscht werden. Vorerst gilt das aber nur für die USA.

 miele.de

 www.fairphone.com

Foto: Modulares Fairphone: Nur wenige Geräte lassen sich einfach reparieren