© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 08/22 / 18. Februar 2022

Bundesverfassungsgericht zur Impfpflicht
Argumente, die nicht überzeugen
Ulrich Vosgerau

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht hat keinen Fachmann überrascht. Außerhalb des Versammlungsrechts ist einstweiliger Rechtsschutz beim BVerfG kaum mehr zu bekommen. Erst recht verweigert das Gericht – unter Verweis auf den Gewaltenteilungsgrundsatz – die Außervollzugsetzung von Gesetzen auf diesem Wege. Dies gilt um so mehr, wenn das fragliche Gesetz im Bundestag mit breiter Mehrheit beschlossen worden ist, was natürlich kein verfassungsrechtliches Kriterium ist, aber eben der Mentalität der Verfassungsrichter entspricht. 

Nach Ansicht des Gerichts bewirkt die Impfung einen „relevanten, wenngleich mit der Zeit deutlich nachlassenden“ Schutz vor der Infektion. Daher sei es Ärzten und Pflegern zuzumuten, bis zur Entscheidung der Hauptsache notfalls ihren Beruf zu wechseln. Jedenfalls im Hinblick auf niedergelassene Ärzte, deren Patienten sich dann umorientieren und deren Mitarbeiter sich andere Jobs suchen, ist das natürlich weltfremd. Und in der Sache nicht überzeugend: denn würde eine tägliche Testpflicht, jedenfalls bis zur Entscheidung der Hauptsache und ohne Schließung der Praxis, nicht viel besser und sicherer wirken? Denn daß auch Geimpfte ohne weiteres infektiös sein können, wird auch das BVerfG nicht bestreiten.






Dr. habil. Ulrich Vosgerau ist Verfassungsrechtler und lehrte an mehreren Universitäten.