© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 08/22 / 18. Februar 2022

Die Ehre des Oberstleutnant B.
Bundeswehr: Nach anderthalb Jahren Ermittlungszeit steht fest, daß ein Offizier zu Unrecht in die Nähe des Rechtsextremismus gerückt wurde
Lukas Steinwandter

Die Verdächtigung hatte es in sich: Ein Offizier, der als Social-Media-Referent im Verteidigungsministerium mitbeteiligt an der Nachwuchsgewinnung der Bundeswehr ist, habe im Internet mit Rechtsradikalen und -extremisten sympathisiert. So lautete der Tenor eines Beitrags des ARD-Magazins „Panorama“ vom Juli 2020. Als Beleg dienten zwei „Gefällt mir“-Klicks im privaten Instagram-Profil. Medien und Politik sprangen darauf an, die Alarmglocken schrillten und der betroffene Soldat wurde umgehend von seinem Posten versetzt – an den Rand Berlins ins Kommando Territoriale Aufgaben. In der Truppe verstand man das als Karriere-Abstellgleis.  

Fast eineinhalb Jahre später stellte die Wehrdisziplinaranwaltschaft die Ermittlungen ein, da „die Verhängung einer gerichtlichen Disziplinarmaßnahme nicht zu erwarten ist“. Denn: Oberstleutnant im Generalstabsdienst Marcel Bohnert kann „ein Dienstvergehen nicht nachgewiesen werden“, heißt es in einem Schreiben, das der Zeit vorliegt. 

Bereits im Januar 2021 war der Militärische Abschirmdienst zum Schluß gekommen, daß die Anschuldigungen bezüglich einer fehlenden Verfassungstreue haltlos seien. „Natürlich bin ich riesig erleichtert“, sagte Bohnert dem Blatt. Es sei aber auch klar: „Die Schramme wird bleiben.“ 

Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums wollte sich zu der Frage, inwieweit die Bundewehr als Dienstherr ihrer Fürsorgepflicht dem betroffenen Offizier gegenüber nun nachkommt, nicht äußern: „Hier gilt wie immer: Zu Einzelpersonalmaßnahmen können wir keine Stellung nehmen.“ Tatsächlich hatte sich das Ministerium im Juli 2020, als „Panorama“ Bohnert eine angebliche Nähe zum Rechtsextremismus unterstellt hatte, sehr wohl mehrfach zu dem Fall geäußert – sogar unter Nennung des Namens des Offiziers. 

Ob Bohnert, der über vielfältige Einsatzerfahrungen in Afghanistan verfügt, auf seinen Posten im Ministerium zurückkehren kann? Die Leitung des Social-Media-Teams übernahm dort im Dezember 2020 eine Zivilistin. Vorherige Verwendung: „Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der politischen Kommunikation mit Schwerpunkt Social Media bei der Konrad-Adenauer-Stiftung“. Auffällig ist, daß die Nachricht von der Einstellung der Ermittlungen ein deutlich geringeres Echo in der Politik hervorruft, als es die Verdächtigungen im Sommer 2020 taten. Damals hatte der FDP-Bundestagsabgeordnete Benjamin Strasser im Panorama-Beitrag gefordert, die Verteidigungsministerin müsse „aktiv werden“. Strassers Karriere ging bergauf. Seit dem Regierungswechsel ist er Parlamentarischer Staatssekretär im Justizministerium. 

Auch der Grünen-Politiker und heutige Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hatte den „Panorama“-Beitrag zum Anlaß genommen, die sofortige Entlassung Bohnerts zu fordern: „Wem irgendein identitärer Schwachsinn besser gefällt als unser Grundgesetz, hat in der Bundeswehr nichts verloren. Er muß die Uniform umgehend ablegen.“ Özdemir ruderte etwas später zurück; er habe erfahren, daß Bohnert „kein Nazi“, sondern Demokrat sei.

Der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Rüdiger Lucassen, nannte den Fall einen von „vielen menschlichen Kollateralschäden, den die Bundesregierung in ihrem besessenen ‘Kampf gegen Rechts’ verursacht“. Er beklagte: „Verhältnismäßigkeit, Fürsorgepflicht des Dienstherrn und das Disziplinarrecht werden in diesem Kampf ebenfalls geopfert.“ Dies werde das „innere Gefüge unserer Streitkräfte vollends zerstören.“

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