© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 08/22 / 18. Februar 2022

Gegen Rechts ist jeder Partner recht
Das Linksextremismusproblem der SPD: Der Fehltritt Nancy Faesers ist kein Einzelfall – eine notwendige Übersicht
Felix Krautkrämer / Christian Rudolf

Den Vorwurf, sie sei auf dem linken Auge blind, hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) entschieden zurückgewiesen. „Ich habe in meinem Leben hinreichend bewiesen, daß ich auch gegen Linksextremismus klare Kante zeige“, versicherte sie am vergangenen Wochenende in der Bild am Sonntag. Daß entsprechende Zweifel hierüber aufgekommen waren, lag allerdings an Faeser selbst. Wie berichtet (JF 7/22) hatte sie vor ihrem Amtsantritt als hessische SPD-Chefin einen Gastbeitrag im Verbandsorgan der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ geschrieben (VVN-BdA), die von verschiedenen Verfassungsschutzbehörden als linksextremistisch beeinflußt beobachtet wird.

Nachdem sie die Kritik daran zuerst als Kampagne von JUNGE FREIHEIT, CDU und AfD abgetan hatte, äußerte sie nun Verständnis dafür, daß der Ort ihrer damaligen Publikation, das Magazin antifa, bei manchem für Verwunderung sorgt.

Nun könnte man Nancy Faesers Ausflug zum ganz linken Rand als versehentlichen Ausrutscher abtun und die Angelegenheit damit als erledigt betrachten, würde es sich dabei um einen Einzelfall handeln. Doch dem ist nicht so. Ganz im Gegenteil: Immer wieder machen Politiker von Sozialdemokraten und Grünen gemeinsame Sache mit linksextremistischen Gruppierungen, engagieren sich in gemeinsamen Bündnissen oder stellen sich schützend vor die entsprechenden Vereinigungen, wenn diese ins Visier von Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden geraten. Die folgenden Beispiele belegen das.





Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“

Was haben Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne), Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) gemeinsam? Sie stehen zusammen auf der Liste der Erstunterzeichner für das Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“. Verantwortlich für diesen Aufruf, der politisch vor allem die AfD bekämpft und gegen sie agitiert, ist laut Impressum die VVN-BdA. Die Jusos, der SPD-Nachwuchs, hatten die Netzseite seinerzeit registriert. Viele Politiker von SPD, Grünen und der umbenannten SED, der jetzigen Linkspartei, unterschrieben 2016 den Aufruf. Die heutige Vize-Präsidentin des EU-Parlaments Katarina Barley (SPD), Dietmar Bartsch (Linkspartei), Eva Högl (SPD), Anton Hofreiter (Grüne), Ricarda Lang (Grüne) und Ralf Stegner (SPD) geben sich auf dem Aufruf ein Stelldichein – bis heute. Doch hier liegt der Hase im Pfeffer: Zu den weiteren Unterstützern gehören vom Verfassungsschutz beobachtete linksextremistische Gruppen. „Das Bündnis ‘Aufstehen gegen Rassismus’ ist ein spektrenübergreifendes Bündnis, das neben einer Vielzahl von demokratischen Organisationen und Einzelpersonen auch aus linksextremistischen Strukturen besteht“, teilte das Bundesamt für Verfassungsschutz der JF 2018 mit. Und diese schwer linken Strukturen gehören teils sogar zum gewaltbereiten Spektrum. Besonders im Fokus: die „bundesweite linksextreme Vernetzungsbestrebung Interventionistische Linke (IL)“, so die Schlapphut-Behörde. Die IL hatte im Juli 2017 einen maßgeblichen Anteil an den schweren Ausschreitungen mit Hunderten verletzten Polizisten und brennenden Autos während des G20-Gipfels in Hamburg. 451 beschuldigte Krawallmacher wurden später angeklagt, unter anderem wegen Landfriedensbruchs und Körperverletzungen. Zum Teil wurden dabei mehrjährige Haftstrafen verhängt. Laut dem Amt fungiert die IL „als Bindeglied sowohl innerhalb des linksextremistischen Spektrums als auch zwischen Extremisten und Nichtextremisten“. Sie sei in der Lage, neben dem gewaltorientierten auch das nichtgewaltbereite Potential zu erreichen, wodurch ihr eine „Scharnierfunktion“ zukomme.

Doch die IL ist nicht der einzige problematische Bündnispartner. Das gleiche gilt auch für „TOP B3rlin“ („Kommunistisches Projekt gegen alles Böse“). Dieses ist im Netzwerk „Ums Ganze“ organisiert, über das der Verfassungsschutz weiß: „Das Bündnis bekennt sich zur Militanz als strategischer Komponente einer Organisierung.“ Ziel sei nichts weniger als die kommunistische Revolution, also der umfassende Sturz der Verfassungsordnung.

Auch der Landesverfassungsschutz Schleswig-Holstein war schon am Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ dran. In diesem schlössen sich „linksextreme Strukturen“ bei ihrem Vorgehen gegen die AfD dem bürgerlichen Spektrum an. Und dieses Handlungsmuster entspreche der typischen Vorgehensweise der postautonomen Szene: „mit einem aktuellen Thema“ versuchten diese „beständig, Organisationen und Zusammenschlüsse mit der Zielsetzung zu unterwandern, Menschen für ihre verfassungsfeindlichen Ziele zu gewinnen“, hieß es beispielsweise im Jahresbericht 2018.





#Unteilbar-Demonstrationen

Der seinerzeitige Außenminister Heiko Maas (SPD) war nicht nur jenseits der deutschen Grenzen meinungsstark. So trommelte er im Vorfeld für die #Unteilbar-Demonstration Mitte Oktober 2018 in Berlin, rief zur Unterstützung der Großkundgebung gegen „Rassismus“ auf – oder besser das, was man links dafür hält. Fernsehmoderator Jan Böhmermann und die Berliner Band „Die Ärzte“ hatten auch dafür geworben, Herbert Grönemeyer („Keinen Millimeter nach rechts!“) trat am Abend auf. Angemeldet hatte die Demo ein Anwalt der linksextremen Gefangenenorganisation „Rote Hilfe“. Zahlreiche SPD-Politiker gingen auf die Straße. Aber: Diese Demonstration wurde von mehreren linksextremistischen und gewaltbereiten Gruppierungen getragen, Israelhasser demonstrierten auch. Mit von der Partie: die Interventionistische Linke (IL). SPD-Politiker liefen in einem Aufzug mit, in dem auch Parolen skandiert wurden, die forderten, „Schweine“ wie die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) aus dem Amt zu jagen. Ein weiteres Beispiel, bei dem die SPD gemeinsame Sache mit linksradikalen und extremistischen Gruppen machte.

Nicht so die CDU: Die Christdemokraten machten einen Bogen um das #Unteilbar-Bündnis – eben wegen der Beteiligung linksradikaler Gruppen. Ihr Gespür täuschte nicht: Auf der Demonstration wurde denn auch prompt zu gewaltsamen Protesten gegen die Bundesregierung aufgerufen und die Zerstörung Israels gefordert.

Ein ähnliches Bild im August 2019 in Dresden: SPD, Grüne, Linkspartei und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) riefen zur Teilnahme an einer weiteren #Unteilbar-Kundgebung auf, die Landes-CDU Sachsen machte nicht mit wegen der mitbeteiligten linksextremen Gruppen. Als Beispiel: Im Demonstrationszug lief ein „Parade-Power-Block“ mit gegen „Rassismus“ und „Faschismus“. Für den war das Bündnis „Nationalismus ist keine Alternative“ (NIKA) verantwortlich, dem mehrere Antifa-Gruppierungen angehörten. Die NIKA kämpft schwerpunktmäßig gegen die AfD und scheut sich nicht, dafür Straftaten zu begehen. NIKA wiederum ist im linksextremen Zusammenschluß „Ums Ganze“ organisiert, der sich laut Verfassungsschutz „zur Militanz als strategische Komponente einer Organisierung“ bekennt und den Kommunismus als Gesellschaftsordnung anstrebt.

Sehr pikant: Auch die damalige Grünen-Vorsitzende und jetzige Außenministerin Annalena Baerbock hatte ihre Teilnahme angekündigt, ebenso wie Michael Kellner, bis vor kurzem Politischer Bundesgeschäftsführer der Grünen und jetziger Beauftragter der Bundesregierung für den Mittelstand. Der damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz lief ebenfalls mit auf der Dresdner Demonstration, die erkennbar von Linksextremisten unterwandert war. Seine Teilnahme rechtfertigte er gegenüber einer Reporterin des Neuen Deutschland damit, daß es hier „um etwas Gutes“ gehe.





Rote Hilfe

Die Gefangenenorganisation „Rote Hilfe“, 1975 durch die KPD/ML initiiert: Der Bundesverfassungsschutz führt die Vereinigung mit rund 11.000 Mitgliedern und bundesweit etwa 50 Ortsgruppen in seinem aktuellen Jahresbericht 2020 als „die größte und eine der wichtigsten Gruppierungen im deutschen Linksextremismus“, mit „starkem Mitgliederzuwachs“. Gemäß einer Antwort der letzten Bundesregierung verfolgt die Rote Hilfe „in ihrer Gesamtheit linksextremistische und mithin verfassungsfeindliche Ziele in unterschiedlicher Intensität“. Sie unterstützt Straftäter moralisch, ideologisch und finanziell, wenn diese aus politischen Motiven mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. „Voraussetzung für die Leistung von Unterstützung durch die Rote Hilfe ist dabei unter anderem, daß der Betroffene kein Unrechtsbewußtsein im Hinblick auf das von ihm begangene strafbare Handeln zeigt, sondern dieses vielmehr als politisch legitimes Mittel im Kampf gegen den Staat verteidigt.“ Die Rote Hilfe leiste „Solidaritätsbekundungen mit inhaftierten terroristischen Gewalttätern“ – für den Verfassungsschutz ein weiterer Beleg für die Bereitschaft der Vereinigung zur aktiven Umgestaltung der bestehenden Verfassungsordnung.

Und SPD und Grüne? Einige ihrer Vertreter scheint diese Sachlage unbekümmert zu lassen, traten sie doch der Roten Hilfe bei oder solidarisierten sich mit ihr. 2007 sorgte die damalige Juso-Chefin Franziska Drohsel für einen Skandal, als deren Mitgliedschaft publik wurde. Sina Doughan, seinerzeit Vorsitzende der Grünen Jugend, lehnte es 2014 öffentlich ab, bei der Roten Hilfe auszutreten. Die Jusos stellten sich auch schützend vor die Rote Hilfe, als 2018 Pläne des Bundesinnenministeriums bekannt wurden, die linksextremistische Gefangenenhilfsorganisation verbieten zu lassen. Kevin Kühnert, bis vor einem Monat Chef der Jusos und jetzt SPD-Generalsekretär, verteidigte die Rote Hilfe ausgerechnet im Neuen Deutschland, wollte sie nicht „als verfassungsfeindlich“ hingestellt sehen.

Auch die frühere PDS-Abgeordnete Angela Marquardt bekannte nach ihrem Wechsel zur SPD, Mitglied der Roten Hilfe bleiben zu wollen. Diese sei „in den neuen Bundesländern eine unverzichtbare Hilfe – unter anderem im Kampf gegen den Rechtsextremismus“.

Das änderte sich auch nicht, als Marquardt sich in der SPD etablierte und als Mitarbeiterin der zeitweiligen SPD-Chefin Andrea Nahles sogar zum Umfeld des direkten Machtzentrums der Sozialdemokratie gehörte. Für den Kampf gegen Rechts sei die Antifa unverzichtbar, riet sie ihrer Partei im Verbandsorgan Vorwärts. Vorbehalte gegenüber dem linksextremen Rand wischte sie beiseite. Die „jungen Antifas oder Antideutsche“ träfen vielleicht nicht immer den richtigen Ton, schrieb Marquardt. „Aber deswegen in Frage zu stellen, daß sie mit uns gemeinsam gegen Nazis auf die Straße gehen, dafür fehlt mir jedes Verständnis.“ Widerspruch erntete Marquardt für ihre Aussage nicht. Letztlich sprach sie aber auch nur aus, was in der SPD ohnehin viele denken. Wenn es gegen Rechts geht, ist nahezu jeder Partner und jeder Verbündete recht.

Foto: Keine Berührungsängste von regierenden SPD und Grünen mit linken Extremisten: Logos von „TOP B3rlin - Theorie.Organisation.Praxis Berlin. Kommunistisches Projekt gegen alles Böse“ (4. von oben), VVN-BdA (5. von oben), Interventionistische Linke (unten)