© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 08/22 / 18. Februar 2022

Der einstige Dax-Liebling Delivery Hero liefert keine Gewinne
Anleger ziehen die Reißleine
Thomas Kirchner

An einem Tag 31 Prozent Kursverlust – einen höheren Verlust gab es im Dax bisher nur zweimal, bei Infineon und dem einst gefeierten Börsenstar Wirecard. Ausgerechnet der Nachfolger des insolventen Zahlungsdienstleister im Dax, der Lieferservice Delivery Hero, folgt nun jetzt auf Platz drei. Die Reaktion der Anleger steht in scharfem Kontrast zu den Erfolgsmeldungen, mit denen sich die Berliner Firmenleitung schmückt: Wachstum von 62 Prozent beim Bestellwert; 57 Prozent mehr Bestellungen. Bis 2030 soll der Bestellwert auf bis zu 350 Milliarden Euro steigen.

 Doch wo bleibt der Gewinn? Der sollte schon 2018 eintreten, wurde beim Börsengang 2017 verkündet. Dann war die Rede von Gewinnen im Europasegment bis Ende 2019. Das wurde auf 2020 verschoben und auch fast erreicht, zumindest vor Steuern und Abschreibungen. Jetzt geht es nur noch um einen „Weg in Richtung Gewinn“: Bis 2030 soll die Marge fünf bis acht Prozent vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen erreichen. Wann ein Nettogewinn übrigbleibt, bleibt offen. Daher ziehen Anleger die Reißleine. Kein einziger der zahlreichen Lebensmittellieferanten schreibt schwarze Zahlen. Die kalifornische Firma DoorDash erwarb 2021 die finnische Wolt in einem Aktientausch: Der Kauf im Wert von sieben Milliarden Euro entsprach dem 24fachen des Umsatzes. Und DoorDash erklärte zudem, man wolle von dem ebenfalls defizitären Wolt lernen, wie man das Geschäft verbessern kann. So verstärkt sich der Eindruck, daß es – wie bei den Fahrdienstvermittlern Uber und Lyft – in der ganzen „Gig Economy“ unmöglich ist, Gewinne zu erwirtschaften. Und das, obwohl den Mitarbeitern häufig nicht einmal der Mindestlohn gezahlt wird. Dazu kommt Regulierung: Im Sommer begrenzten New York und San Francisco die Gebühren, die Lieferdienste von Restaurants fordern können.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Beispiel auch in den Märkten von Delivery Hero Schule macht. Vor einem Jahr sagte Stuart Levy, Finanzchef der US-Kette Domino’s Pizza: „In unseren 60 Jahren haben wir nicht einen Dollar mit der Lieferung der Pizza verdient. Wir verdienen Geld mit dem Produkt, nicht mit seiner Lieferung. Wir sind uns nicht sicher, wie andere das schaffen wollen.“ Das ist die Frage, die sich auch die Delivery-Hero-Anleger stellen.