© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 08/22 / 18. Februar 2022

Fleisch erleidet nur kurzzeitigen Ansehensverlust
Baustein europäischer Eßkultur
(ob)

Fleisch, genauer gesagt, seine als Nahrungsmittel relevanten Hauptbestandteile Protein und Fett haben entscheidend zur menschlichen Entwicklung und damit zur Herausbildung der menschlichen Kultur beigetragen. Was gegenwärtig zumindest in der westeuropäischen Öffentlichkeit in Vergessenheit zu geraten scheint. Denn Fleisch, so stellt der Kulturanthropologe Günther Hirschfelder (Universität Regensburg) in seiner Kulturgeschichte des Nahrungsmittels fest, befinde sich in einer seit längerem sich vertiefenden Ansehens- und Akzeptanzkrise (Aus Politik und Zeitgeschichte, 51-52/2021). Von einer Chiffre für Leben und Wohlstand wandele es sich zu einem „Symbol für eine zerstörte Welt“.  Fleischverzicht gilt mittlerweile als Ausweis besseren Menschentums. Das könnte sich bis 2030 indes wieder ändern,weil die zunehmende Problematisierung des Fleischkonsums zu verschärften Produktionsbestimmungen, zur vermehrten Erzeugung von hochwertigem Öko-Fleisch und zu steigenden Preisen führe. Aldi kündigt für 2025 bereits an, „Billigfleisch“ aus den Regalen verbannen zu wollen. Fleischverzehr gewinne damit wieder jene „Exklusivität“, wie sie heute hochpreisig orientierte, auf edle regionale Produkte abonnierte Fleischliebhaber als Distinktionsgewinn so schätzen. Fleisch dürfte aber nicht nur für diese elitären Genießer zentraler Baustein europäischer Ernährung und Eßkultur bleiben. Gehe doch der aktuelle „Fleischdiskurs“ an der Masse der Verbraucher einfach vorbei. Die meisten von ihnen fänden dieses Thema „grundsätzlich irrelevant“ und beriefen sich auf ihr Recht, legale Produkte nach Belieben kaufen und konsumieren zu dürfen. 


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