© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 08/22 / 18. Februar 2022

Filmkritik Diebe wie wir
Leben auf der Schattenseite
Werner Olles

Anfang der 1930er Jahre in der Zeit der Großen Depression in den USA. Die drei ausgebrochenen Zuchthäusler Bowie Bauers (Keith Carradine), T-Dup Masefield (Bert Remsen) und der Halbindianer Elmo Mobley (John Schuck) schlagen sich mit Banküberfällen durch. Auf ihrer Flucht lernt Bowie bei Mobleys Verwandten die verhärmte Keechie (Shelley Duvall) kennen und erlebt mit ihr eine kurze Idylle. Ihre erfolgreichen Bankraubzüge rufen jedoch das FBI auf den Plan, dessen Fahnder ihnen nach dem Mord Mobleys an zwei Polizisten dicht auf den Fersen sind.

Als Bowie bei einem Unfall verletzt wird und sich mit Keechie in ein abgelegenes Haus an einem See zurückzieht, erfährt er über das Radio, daß Mobley verhaftet und T-Dup erschossen wurde. Er plant, Mobley aus dem Gefängnis zu befreien, was auch tatsächlich gelingt. Doch dann kommt es zum Streit zwischen den beiden, weil Mobley bei ihrer Flucht einen Aufseher getötet hat. Keechie, die bei T-Dups Schwägerin Mattie (Louise Fletcher) untergekommen ist, erwartet inzwischen ein Kind von Bowie. Als sie morgens aus dem Fenster schaut, sieht sie, wie Bowie zu ihrem Bungalow zurückkehrt, während bewaffnete Polizeibeamte bereits auf ihn warten … 

Robert Altmans („Short Cut“, „Kansas City“) Gangsterdrama „Diebe wie wir“ („Thiefes like us“, USA 1974) basiert auf dem gleichnamigen Roman von Edward Anderson, der bereits 1948 von Nicholas Ray unter dem Titel „Sie leben bei Nacht“ erfolgreich verfilmt wurde. Altman, der auch für das Drehbuch mitverantwortlich zeichnete, inszenierte „Diebe wie wir“ als harten Gangsterfilm, der schonungslos und rigoros die Schattenseiten des amerikanischen Traums herausarbeitete. Das Klima der Großen Depression wahrheitsgetreu beschreibend, erzählt der Film diese „schön-verruchte Epoche der US-Geschichte“ (Lexikon des Internationalen Films) jedoch nicht als nostalgischen beziehungsweise larmoyanten Abgesang, sondern visualisiert nüchtern, stilistisch durchformt und mit bitterem Sarkasmus gewürzt die Hinterhof-Atmosphäre eines Amerika der Underdogs, der Gauner, Arbeitslosen, Hungernden und des achaisch-mühsamen Lebens der Wanderarbeiter. Nicht moralische Verachtung, sondern Trauer über die scheinbar unvermeidliche Wiederholung historischer, politischer und wirtschaftlicher Fehler bestimmen den Grundton von Altmans Film.

DVD/Blu-ray: Diebe wie wir. Koch Media 2022, Laufzeit etwa 123 Minuten