© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 08/22 / 18. Februar 2022

Döpfner gerät abermals unter Druck
Causa Reichelt: Die „Financial Times“ bringt Springers Vorstandsvorsitzenden erneut in Erklärungsnot
Gil Barkei

Den Sturm der Entrüstung im Zuge der Entlassung Julian Reichelts bei Bild hat Springers Vorstandsvorsitzender Mathias Döpfner noch knapp überstanden. Auch wenn mehrere Blattmacher seinen Kopf an der Spitze des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) forderten. Doch nun droht die Causa Reichelt Döpfner doch noch einzuholen.

Die britische Financial Times (FT) erhob in einem aufsehenerregenden Artikel über den deutschen Medienriesen schwere Vorwürfe. Demnach habe das Unternehmen bereits vor den offiziellen Ermittlungen zu den Sexismus- und Machtmißbrauchsvorwürfen von den Verfehlungen gewußt: Reichelts „Verhalten gegenüber jungen Frauen“ sei „intern ein offenes Geheimnis“ gewesen. 

Reichelt sei zudem über das interne Compliance-Verfahren der Anwaltskanzlei Freshfields informiert worden, obwohl den betroffenen Frauen Vertraulichkeit zugesichert worden sei. So konnte der ehemalige Bild-Chef einige von ihnen unter Druck setzen.

Besonders brisant: Döpfner soll sogar eine Gegenuntersuchung eingeleitet haben, in der unter anderem eine Ex-Freundin Reichelts ins Visier geriet, weil sie als Zeugin in dem Fall auftrat. „Das hat nichts mit Sexismus zu tun. Das hat nichts mit MeToo zu tun“, zitiert ihn die FT und beruft sich auf Gespräche mit vermeintlich 30 Betroffenen. Döpfner habe hinter den Anschuldigungen vielmehr einen ideologischen Gegner mit einer „Haß-Agenda“ gesehen. Zudem soll im Raum gestanden haben, vermeintliche Drahtzieher der Attacke wie Jan Böhmermann, Friedrich Küppersbusch und den ehemaligen Bild-Chefredakteur Kai Diekmann aufs Korn zu nehmen – der Plan sei jedoch nicht weiterverfolgt worden. Auch der US-amerikanische Anteilseigner KKR könnte laut FT Mitwisser gewesen sein: David Petraeus, früher CIA-Direktor und seit 2013 Chairman beim KKR Global Institute, soll für seinen alten Kriegsreporter-Bekannten Julian Reichelt ein gutes Wort eingelegt haben.

Deutsche Medien griffen die FT-Berichterstattung dankend auf. Die Süddeutsche Zeitung nannte Döpfner einen „schwer verschwörungsanfälligen Vertuscher“ und schrieb, eine frühere Mitarbeiterin Reichelts habe sich „schockiert“ gezeigt, wie sehr es Springer nur um die Außenwirkung gegangen sei, während man „für die Betroffenen kaum Verantwortung übernommen hat“. 

Die Funke-Mediengruppe warf erneut die Frage auf, ob Döpfner als BDZV-Präsident noch tragbar sei. Der Chef des Deutschen Journalisten-Verbands, Frank Überall, forderte von Springer, „die ganze Wahrheit über die Reichelt-Affäre offenzulegen“. Sollte bewiesen werden, daß Döpfner Beteiligte in der Sache ausforschen ließ, „steht die Frage nach der Führungskompetenz des Springer-Chefs im Raum“. 

Der Konzern widersprach unterdessen den Anschuldigungen und betonte, „der Artikel zeichnet ein irreführendes Bild der Compliance-Untersuchung, der daraus gezogenen Konsequenzen, des gesamten Unternehmens und seiner Führung“. Intern zeigte sich die Führungsetage dagegen reumütig und versuchte Boden gutzumachen: „Uns ist bewußt, wie unangenehm es ist, so etwas über unser Unternehmen zu lesen und darauf angesprochen zu werden. Das ist belastend und tut uns leid“, heißt es in einem Schreiben. Man betonte, der Vorstand habe gerade ein Training für Diversity und Inklusion absolviert. Bis 2023 sollen alle Führungskräfte an einem solchen Lehrgang teilnehmen.

Bei der jüngsten Sitzung des BDZV vergangenen Montag blieb die Revolution aus. Das Thema Döpfner sei nur eine Randnotiz gewesen, hieß es. Funke, verärgert über die fehlende Aussprache, denke derweil über einen Austritt aus dem Verband nach, berichtet die FAZ.