© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/22 / 25. Februar 2022

„Politiker zur Rechenschaft ziehen“
Peter Hahne: In seinem neuen Buch „Das Maß ist voll“ spießt der ehemalige ZDF-Journalist und Bestsellerautor Politikversagen und ideologischen Irrsinn in Deutschland auf. Im Interview verlangt er nun öffentliche Konsequenzen
Moritz Schwarz

Herr Hahne, ...

Peter Hahne: Moment! Darf ich etwas sagen?

Aber deswegen sind Sie doch hier.

Hahne: Sicher, doch weiß ich ja nicht, was Sie mich fragen wollen. Ich finde aber, daß eines endlich einmal gesagt werden muß. 

Und das wäre?

Hahne: Daß es beim Thema Corona in Deutschland ein großes Problem mit Schwurblern, Fake-News-Verbreitern und Verschwörungstheoretikern gibt.

Das ist doch ständig Thema. 

Hahne: Und daß es sich dabei um viele unserer Politiker und Journalisten handelt. 

Das allerdings nicht. 

Hahne: Eben. Denn viele ihrer Behauptungen haben sich als unbegründet oder unwahr herausgestellt. Und das, weil sie diese entweder nicht hinterfragt haben – also aus Desinteresse oder Mitläufertum. Oder weil sie gelogen haben – also aus Opportunismus oder ideologischem Furor. Und deshalb fordere ich zweierlei. 

Ja? ... Bitte, nur zu. 

Hahne: Ich fordere, daß die betreffenden Politiker und Journalisten zur Rechenschaft gezogen werden!

Wie denn das?

Hahne: Per Untersuchungsausschüssen in den Parlamenten und notfalls auf juristischem Weg. 

Sie meinen zivilrechtlich?

Hahne: Natürlich.

Mit so einer Anzeige kommen Sie nicht durch, und selbst wenn, es käme nichts dabei heraus. 

Hahne: Bei Untersuchungsausschüssen bekanntlich auch nicht – und trotzdem muß es gemacht werden. Damit wenigstens das wahre Geschehen der Corona-Krise aufgearbeitet und öffentlich gemacht wird! Damit sichtbar wird, wie gelogen und gehetzt, verschwiegen und verschwurbelt wurde! Gegenmeinungen wurden diskreditiert, die Lage dramatisiert, Kritiker dämonisiert. Die dafür Verantwortlichen müssen benannt werden! Denn die flüchten sich jetzt schon wieder ins „wir“.

Ins „wir“?

Hahne: Erinnern Sie sich nicht an Herrn Spahn? Sein Versagen, seine Lügen – und dann seine Äußerung: „Wir werden einander verzeihen müssen.“ Einspruch: Er hat zu bereuen und um Verzeihung zu bitten! Von wegen „einander“, so hätte er’s gern. Oder Markus Söder jüngst: „Wir müssen nun erstmal der Toten gedenken.“ Eine Binsenweisheit. Die Wahrheit: Ihre Verantwortung schieben sie ab ins „wir“, in der Hoffnung, daß sie vergessen wird. So etwas wie Corona-Kollektivschuld gibt es nicht. Indem Politiker seit zwei Jahren mit falschen Zahlen und Panikmache operieren, haben sie unfaßbare Schäden angerichtet: Physische, psychische, materielle und gesellschaftliche, mit unermeßlichen Folgen, die ich in meinem neuen Buch beschreibe. Obwohl ich mich beim Thema Corona zurückgehalten habe, da ich dazu schon viel in meinen aktuellen Artikeln geschrieben habe, und deshalb nun verstärkt wieder andere Aufregerthemen aufgreife. 

Von denen es ja mehr als genug gibt. 

Hahne: Ja, denn im „Schatten“ von Corona ist viel Skandalöses, politisch wie gesellschaftlich, einfach durchgedrückt worden. Ich sage nur Gender oder eingewanderter Antisemitismus und Islamismus. Aber natürlich ist Corona das derzeit wichtigste Thema. Wenn ich etwa daran denke, daß ein Herr Lauterbach nun erklärt, eigentlich sei das Gesundheitssystem nie überlastet gewesen – und damit vielleicht durchkommt! Wo bleibt der Aufschrei der Medien und des Bundesverfassungsgerichtes, das aufgrund der geschwurbelten Fake News entschieden hat?

Wobei Sie davor warnen, daß am Ende Lauterbach allein der Schwarze Peter zugeschoben werden könnte. 

Hahne: Das darf auch nicht passieren, denn die Fehlprognosen von „Karl dem Schwurbler“ füllen Seiten! Eigentlich müßte bei jeder Erwähnung seines Namens angemerkt werden: „der Wunschkandidat Söders“ – denn der hat eifrig die Werbetrommel für Lauterbach gerührt, während ihn Olaf Scholz ja bekanntlich gar nicht als Minister wollte. Ebenso sollte übrigens bei den sogenannten Klimaaktivisten – die allerdings treffender „Klimachaoten“ heißen müßten – angemerkt werden: „die Wunschkinder Söders“, die er auf der Zugspitze auf folgender Schleimspur empfing: „Ich bin der Markus. Und ich finde es gut, was ihr macht.“

Immerhin haben wir jetzt doch Friedrich Merz. 

Hahne: Den ich einmal für seine gerade christdemokratische Linie sehr bewundert habe. Neuerdings ist aber vom alten Merz leider kaum mehr etwas zu erkennen. Man schaue sich nur seine Idealkandidaten für den CDU-Vorstand an. Überhaupt ist es absolut schamlos, wie sich die Union jetzt gibt – als wäre sie die letzten 16 Jahre nicht an der Macht gewesen! Die Ampel ist die konsequente Fortsetzung der Merkel-Söder-Jahre: Politik als gigantische Mogelpackung. Das Schlimme ist nur, viele Wähler fallen schon wieder darauf herein. Es ist nicht zu fassen! 

Sie sprachen eingangs von „zwei“ Forderungen.  

Hahne: Die zweite, neben dem Zur-Verantwortung-Ziehen der Täter – und ich sage bewußt „Täter“, denn für mich sind sie genau das –, ist: Die Rehabilitierung aller Journalisten, Wissenschaftler, Spaziergänger und sonstiger Kritiker, die sich in den zwei Corona-Jahren ehrlich um Aufklärung bemüht haben und dafür vielfach diffamiert, stigmatisiert und ausgegrenzt, teilweise sogar sozial vernichtet wurden. 

Glauben Sie denn ernstlich, sich damit durchsetzen zu können?

Hahne: Fakt ist doch, daß sich zwar längst nicht alles, aber immer mehr von dem, was Querdenker und Spaziergänger vorhergesagt haben, als zutreffend herausgestellt hat. Viele „Verschwörungstheorien“ sind doch durch die Realität weit überholt worden, die letzte: Impfen hat keine Nebenwirkungen. Irre! Hätte man die Masse der vernünftigen Kritiker in die gesellschaftliche Debatte einbezogen, statt sie pauschal als „Schwurbler“ und potentielle Rechtsradikale zu diffamieren, etwa die „Alles auf den Tisch“-Intellektuellen, vor allem aber die gesamte Wissenschaft – und damit meine ich nicht nur andere Virologen als die Hofvirologen der Kanzlerin, sondern auch Vertreter weiterer Disziplinen, wie Psychologen, vor allem Kinder- und Familienpsychologen, Geriater, Ökonomen etc. –, dann wäre die öffentliche Debatte anders verlaufen und die Maßnahmen der Politik nicht so verheerend ausgefallen. Manches wäre abgemildert oder gar ganz vermieden worden, was stattdessen zahlreiche Menschen in finanzielle und psychische Not und damit in Armut, Krankheit oder gar den Tod getrieben hat. Kinder in Käfighaltung, 400 Prozent Steigerung der Selbstmordrate unter Kindern – ein unentschuldbares Verbrechen! Das zeigt, wie unglaublich wichtig demokratischer und wissenschaftlicher Pluralismus ist und wie verheerend es ist, wenn er durch Ausgrenzung, autoritäres Durchregieren und williges Untertanentum ersetzt wird. Übrigens sind das für den ultralinken Schriftsteller Umberto Eco, Sie wissen, „Der Name der Rose“, klare Anzeichen für den „ewigen Faschismus“, wie er es nennt und ich es in meinem neuen Buch ausführlich zitiere. 

Nochmals, Sie glauben doch nicht wirklich, mit Ihren Forderungen auch nur gehört zu werden?

Hahne: Wenn wir so mutlos an die Sache herangehen, lieber Herr Schwarz, dann natürlich nicht. Wenn aber genug Menschen öffentlich nicht lockerlassen und immer und immer wieder friedlich auf die Straße gehen und „richtig“ wählen – warum nicht? Wir sehen doch, die Straße hat bereits gesiegt.

Inwiefern denn das?  

Hahne: Sehen Sie das nicht? Auch wenn Söder öffentlich sogar vor einer „Corona-RAF“ bezüglich der Spaziergänger gewarnt hat, die Herrschenden wissen, wer da tatsächlich „spazierengeht“: Lehrer, Handwerker, besorgte Eltern, viel Jugend und auch das linke Spektrum. Die Impfpflicht ist immer schwerer durchzusetzen im Bundestag. Und ein beträchtlicher Teil des medizinischen Personals weigert sich standhaft. Die Corona-Ideologen mit ihrer Panikmache erleben gerade ihr Waterloo. Nur wird dieses in den Hof-Medien nicht so kommentiert, so daß dies den Bürgern nicht bewußt wird. Kein Wunder, es würde ihren politischen Widerstand befeuern. 

Na ja, laut Erhebung haben gerade mal vier Prozent aller Deutschen schon einmal an einem Corona-Protest teilgenommen, während die große Mehrheit sogar schärfere Maßnahmen fordert. 

Hahne: Erstens macht das den Sieg der Straße um so bewundernswerter. 1989 fing es in der DDR auch klein an.  Zweitens ist das kaum überraschend, werden die Leute doch, wie gesagt, von morgens bis abends in vielen Mainstream-Medien mit Schwurbeleien und Fake News indoktriniert. Alte Hahne-Weisheit: Nachrichten heißen Nach-richten, damit man sich danach richtet. So erstaunt es auch nicht, daß – nachdem man uns achtzig Prozent unserer Freiheit genommen und am 20. März nur zehn Prozent zurückgeben will – die Mehrheit auf diese Mogelpackung hereinfällt. Man feiert freudig einen angeblichen „Freedom Day“, statt empört auf die restlichen siebzig Prozent zu insistieren. Wobei ich keine generelle Medienbeschimpfung betreibe: Es gibt da auch Nachdenkliches und Neutrales, mitunter sogar mal etwas Kritisches. Das ist jedoch Ausnahme, ich nenne in meinem Buch ausdrücklich positiv linke Kollegen wie Heribert Prantl, Stefan Aust oder Hans-Ulrich Jörges. Doch dem steht ein mehrheitlich vermitteltes desinformatives Narrativ gegenüber. Beispiel gefällig? 

Bitte.

Hahne: Ich war damals auf dem Weg zum BER, Sie wissen schon, dieses Berliner Milliardengrab, und hörte die RBB-Radionachrichten. Erste Meldung: Um die Schulen offenzuhalten, müssen die Kinder ab jetzt Masken tragen. Zweite Meldung: Stiftung Warentest prüfte 15 Masken für Kinder – 14 haben sich als geradezu schädlich erwiesen! Hätte in dieser Kombination nicht diese zweite die ständig wiederholte Top-Meldung sein und eine bundesweite Debatte auslösen müssen? Stattdessen Schweigen im Walde – während die erste Meldung weiter wiederholt wurde. So funktioniert das! Die Dinge werden nicht verschwiegen, aber indem sie in den Vorder-, andere in den Hintergrund gerückt werden, entsteht ein bestimmtes Meinungsklima. Und das ist für mich ein Verbrechen! Vor allem an den Kindern, aber auch an der demokratisch-pluralistischen Wissenschaftsdebatte. Und deshalb müßte sich eigentlich auch kein Geringerer als Bundespräsident Steinmeier öffentlich zum Beispiel bei Ihrer Zeitung, der JUNGEN FREIHEIT, bedanken. 

Warum denn das?

Hahne: Weil Sie gemeinsam mit den anderen Wahrheitsaktivisten den Meinungspluralismus gerettet haben – ich finde, wenn von „Klimaaktivisten“ die Rede ist, dann haben alternative Medien und auch die Corona-APO Anspruch darauf, entsprechend bezeichnet zu werden. Schließlich wird doch überall „Diversity“ gefordert, sogar ausdrücklich im Ampel-Koalitionsvertrag – also bitte, genau das ist doch die erwünschte Vielfalt: Querdenker, Impfkritiker, Alternativmedien, die JUNGE FREIHEIT und viele andere retten den Ruf Deutschlands als einem „bunten“ Land unter dem Regenbogen der Pressefreiheit. Jetzt heißt es für alle: Haltung und Gesicht zeigen, statt zu vertuschen und zu verdrehen! 

Das wird den „eiskalten Sozi-Machtpolitiker“, wie Sie Herrn Steinmeier nennen, kaum überzeugen.

Hahne: Natürlich nicht, hat er doch trotz seiner gegenteiligen Schwüre keinerlei Interesse an Pluralismus. Er hetzt und wiegelt auf. Das exakte Gegenteil von Johannes Raus „Versöhnen statt spalten“. Klar, hat er sich zu Studentenzeiten doch mit lupenreinen Linksradikalen gemein gemacht. Pluralismus ist diesen Leuten ein Graus, da sie glauben, als bessere Menschen alles besser zu wissen. Das nennt man mit Umberto Eco Faschismus! Sie fühlen sich ganz offen dem Rest der Welt überlegen. Haben sie angeblich doch weit verständiger als alle anderen Politiker und Nationen aus der Geschichte gelernt. Und so weiß Deutschland bei Corona alles besser, ebenso wie beim Klima, bei der Atomkraft und der Energiewende, bei Menschenrechten und Moral sowieso, und jetzt auch bei der fürchterlichen Gender-Ideologie, über die die Außenministerin offenbar die übrige Welt belehren will. Vor allem natürlich bei der Einwanderung, die die CDU/CSU-Regierung 2015 der EU – und uns Bürgern – wie selbstverständlich aufgezwungen hat. Man fragt sich, warum nicht längst Frau Merkel oder die Ampel, besonders aber die Grünen, die erste Strophe des Deutschlandliedes wieder zur Nationalhymne erhoben haben: „Deutschland, Deutschland über alles“ – das entspricht doch genau ihrer Politik!

Eine letzte Frage in eigener Sache: Diese Zeitung hat aufgedeckt, daß Nancy Faeser, Monate bevor sie Innenministerin wurde, einen Artikel im Magazin „antifa“, der vom Verfassungsschutz beobachteten VVN-BdA geschrieben hat. „Tagesschau“ und ZDF-„heute“ haben das in ihren TV-Nachrichten ausgespart. Zu Recht?

Hahne: Ausgespart ist ein schöner Euphemismus, wie „Auffrischungsimpfung“. Gegenfrage: Erinnern sie sich an den sächsischen Landesbischof Carsten Rentzing, der 2019 zurücktreten mußte, weil er 27 Jahre früher für ein rechtes – nicht vom Verfassungsschutz beobachtetes – Magazin gearbeitet hat? 27 Jahre zurück! Frau Faeser müßte also erst recht zurücktreten! Diese Dame als „Hüterin des Grundgesetzes“ – tiefer kann Deutschland nicht mehr sinken!

Warum muß sie es dennoch nicht?

Hahne: Unter anderem, weil entscheidende Medien es nicht in ihre Nachrichten heben und scharf kommentieren. Und weil CDU/CSU eine lächerlich schwache Truppe darstellen. Wer es nicht schafft, einen alternativen Bundespräsidentenkandidaten aufzustellen oder zu unterstützen, hat sich als Opposition bereits zu Beginn der Legislaturperiode abgemeldet. Gute Nacht! 






Peter Hahne, der Diplomtheologe und ehemalige Vizechefredakteur des ZDF-Hauptstadtstudios moderierte die „heute“-Nachrichten, das „heute-journal“, „Berlin direkt“ und bis zur Pensionierung 2017 seine sonntägliche Talkshow „Peter Hahne“. Auch als Bild am Sonntag-Kolumnist und Bestsellerautor mit Millionenauflage machte er sich einen Namen. Am 25. Februar erscheint sein neuer Band: „Das Maß ist voll. In Krisenzeiten hilft keine Volksverdummung“ Geboren wurde er 1952 in Minden.

Foto: Kritiker Hahne: „Ich fordere, Betreffende in Politik und Journalismus haftbar zu machen, sowie die Rehabilitierung aller Corona-Kritiker, die sich um Aufklärung bemühten und dafür diffamiert wurden“