© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/22 / 25. Februar 2022

Ciao, Gao?
Auslandseinsatz: Bundeswehrsoldaten sollen in Mali bei der Stabilisierung des Landes helfen / Mission steht auf der Kippe
Peter Möller

Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel konnte es rückblickend selbst kaum fassen „Und plötzlich sind wir in Afrika“, sagte sie im Mai 2018 auf einer Bundeswehrtagung mit Blick auf die seit 2013 laufenden Einsätze der Bundeswehr im westafrikanischen Mali. Und an dieser Zustandsbeschreibung hat sich seitdem auch nichts geändert. Die Bundeswehr ist in Mali derzeit an zwei Einsätzen, der Stabilisierungs-Mission Minusma der Vereinten Nationen und der EU-Ausbildungsmission EUTM, beteiligt.

Doch jetzt befindet sich das Engagement Berlins in Mali, wo das Militär gerade zum dritten Mal seit 2012 geputscht hat, in einer entscheidenden Phase: Nachdem Frankreich angekündigt hat, den Anti-Terror-Einsatz in seiner ehemaligen Kolonie zu beenden, stellt sich die Frage, wie es nun für Deutschland und die dort stationierten gut 1.350 Soldaten der Bundeswehr weitergeht? Insbesondere der Abzug der französischen Kampfhubschrauber erschwert die Situation für die deutschen Soldaten und läßt das Risiko der eh schon als besonders gefährlich eingestuften Mission weiter steigen. Bereits Anfang Februar hatte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) den Mali-Einsatz wegen wachsender Spannungen mit der Militärregierung grundsätzlich in Frage gestellt, nachdem Ende Januar die Regierung einer Bundeswehrmaschine mit 75 Soldaten an Bord die Überfluggenehmigung verweigert hatte.

Es komme jetzt darauf an, sehr zügig über eine Kompensation der französischen Fähigkeiten zu sprechen, sagte nun Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD). „Wer kann das übernehmen?“ Das sei wichtig für die Entscheidung, wie man mit den Bundeswehr-Missionen umgehe, ob und wie man sie verlängere. Damit machte Lambrecht deutlich, daß es keinen Automatismus für einen Abzug der deutschen Truppen aus Mali gibt – im Gegenteil.

Das machten auch die Äußerungen der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), deutlich, die vor einer schnellen Beendigung des Einsatzes der Bundeswehr warnt. Die Konsequenzen eines solchen Schrittes müßten bedacht werden, sagte sie und brachte sogar eine Verstärkung der Bundeswehr mit schwererer Bewaffnung zum Schutz der Soldaten ins Gespräch. „Wir haben dort ja leichtes bis mittelschweres Gerät. Uns wurde immer gesagt, das reiche. Aber wenn die Luft da bleihaltiger wird, müssen wir dann unter Umständen auch den Boxer verlegen, um unsere Leute zu schützen? Das muß geklärt werden“, forderte Strack-Zimmermann mit Blick auf den Radpanzer der Bundeswehr. „Wenn wir in so einer Region mit all diesen komplexen Zusammenhängen sind, muß die Bundeswehr optimal ausgerüstet werden.“ Strack-Zimmermann warnte vor den möglichen Folgen eines Abzugs der Bundeswehr. „Die Frage ist, was passiert, wenn wir rausgehen? Machen sich die Russen breit, um das Vakuum zu füllen? Auch größere Unruhen und damit große Fluchtbewegungen sind nicht im Interesse Europas“, sagte die FDP-Politikerin.

„Nicht ersichtlich, welchen deutschen Interessen das dient“

Ob es aber tatsächlich zu einer Verstärkung der deutschen Truppen in Mali kommt, um den Abzug der Franzosen zu kompensieren, scheint fraglich. Das gilt nicht zuletzt auch für die Entsendung von Kampfhubschraubern. Bereits von 2017 bis 2018 waren vier deutsche Kampfhubschrauber vom Typ Tiger im Mali-Einsatz. Dabei stürzte 2017 eine Maschine nach einem Wartungsfehler ab, die beiden Piloten wurden getötet.  Eine neue Entsendung von Kampfhubschraubern wäre laut Lambrecht aber „ein völlig anderes Mandat“, das der Bundestag beschließen müßte. Eine Mehrheit der Ampelkoalition dafür gilt in Berlin als unwahrscheinlich.

Dennoch fordert der CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte von Bundeskanzler Olaf Scholz und dem Bundeskabinett, den deutschen Soldaten nach dem Abzug der Franzosen „robusten Schutz zur Verfügung zu stellen“. Sollte der Bundesregierung dazu der Mut fehlen, müßte sie den Einsatz beenden, sagte Otte im Interview mit der ARD. Das hätte aus seiner Sicht fatale Folgen: „Deutschland würde Mali im Kampf gegen den Terror alleine lassen. Die Sahel-Zone würde vom Terror destabilisiert werden, und Deutschland würde den Vereinten Nationen in ihrem Bemühen um die Region in den Rücken fallen.“

Die Haltung der AfD, die in der vergangenen Woche im Bundestag eine Aktuelle Stunde zu Mali beantragt hatte, ist eindeutig: „Die Bundesregierung muß jetzt den Franzosen folgen und den Abzug der Bundeswehr aus Mali unverzüglich einleiten“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Rüdiger Lucassen. Die Aussichtslosigkeit des Mali-Einsatzes der Bundeswehr sei seit Jahren bekannt. Die Bundesregierung sei nie einer tragfähigen Strategie gefolgt. „Bis heute ist unklar, welchen deutschen Interessen der Einsatz unserer Soldaten in Mali dient. Nun entfällt auch noch das Argument der Bündnissolidarität mit Frankreich.“

Doch wahrscheinlicher als ein kompletter Abzug der Bundeswehr scheint zu sein, daß Berlin die Beteiligung an der EUTM-Ausbildungsmission beendet oder reduziert und den Minusma-Einsatz zur Stabilisierung des Landes fortsetzt. Auch künftig dürfte es daher für die Bundeswehr heißen: „Wir sind in Afrika.“

 Kommentar Seite 2

Foto: Bundeswehr-Patrouille in der Nähe des malischen Gao: Nach dem Abzug der Franzosen braucht das deutsche Kontingent einen robusten Schutz