© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/22 / 25. Februar 2022

Viel hilft nicht immer viel
Lobbyregister: Im Kampf gegen Korruption wird ein Bürokratie-Monster erschaffen
Paul Rosen

Der Weg der Politik war wie üblich mit guten Vorsätzen gepflastert. „Um einen zweiten Fall Amthor zu verhindern, muß in Zukunft offengelegt werden, welche Einflußnahme es zwischen Abgeordneten und Lobbyisten gibt“, hatte der damalige SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil im Sommer 2020 erklärt. Unter dem Druck der Verhältnisse war auch die Union auf einmal für ein Lobbyregister.

Hintergrund ist der Fall des jungen CDU-Abgeordneten Philipp Amthor, der eine Nebentätigkeit für das amerikanische IT-Unternehmen „Augustus Intelligence“ angenommen hatte und dafür mit Aktienoptionen entlohnt werden sollte. Der CDU-Hoffnungsträger Amthor geriet so unter Druck, daß er sogar seine Kandidatur für den CDU-Landesvorsitz in Mecklenburg-Vorpommern zurückziehen mußte. Seit Jahresanfang ist das Lobbyregister-Gesetz in Kraft. Das Register ist öffentlich einsehbar und soll laut Bundestag zu mehr Transparenz bei der für ein demokratisches Gemeinwesen sichtbaren Vertretung gesellschaftlicher Interessen gegenüber der Politik beitragen. 

Das Gesetz hat bei den Betroffenen hektische Betriebsamkeit ausgelöst. Denn von der Bundestagsverwaltung werden detaillierte Angaben über die jeweiligen Lobbyisten oder die jeweilige Lobbyorganisation verlangt, die nicht immer einfach anzugeben beziehungsweise zu beziffern sind. Die Folgen bei Verstößen – und das ist neu – können gravierend sein: Wer sich nicht einträgt oder (sogar nur fahrlässig) falsche Angaben im Register macht, muß mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 Euro rechnen. Interessenvertreter müssen zudem bei der Registrierung im Lobbyregister einen Verhaltenskodex akzeptieren, der sie auf die „Grundsätze der Offenheit, Transparenz, Ehrlichkeit und Integrität verpflichtet“. Verstöße dagegen sollen veröffentlicht werden. 

Am Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft wird deutlich, was alles angegeben werden muß. Offenzulegen sind die jährlichen finanziellen Aufwendungen für Interessenvertretung, die die Versicherungswirtschaft mit rund 15 Millionen Euro angibt. Als Beschäftigte im Lobbywesen werden neben Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen weitere 17 vertretungsberechtigte Personen und rund 90 Mitarbeiter, die Interessenvertretung unmittelbar ausüben, namentlich genannt. 

Bundestag droht  mit empfindlichen Strafen

Daneben müssen die Zahl der Mitglieder des Verbandes (455) und auch Mitgliedschaften des Verbandes selbst wie zum Beispiel im Ost-Ausschuß der deutschen Wirtschaft und in der Deutschen Gesellschaft für Versicherungs- und Finanzmathematik angegeben werden.

Verlangt werden Angaben zu Interessengebieten, zur eigenen Tätigkeit, zu Jahresabschlüssen und zum eigenen Verhaltenskodex. Was indes fehlt, sind zum Beispiel biographische Hinweise, obwohl das lobbyistische Wirken der Versicherungswirtschaft besser verständlich sein würde, wenn man wüßte, daß ihr Hauptgeschäftsführer Asmussen als ehemaliger Staatssekretär der Bundesregierung weiterhin beste persönliche Kontakte zu Ministerien sowie zu den Fraktionen haben dürfte. Asmussen befindet sich damit in bester Gesellschaft mit vielen anderen Verbandsgeschäftsführern. Doch über das Vorleben von Lobbyisten in Regierung und Fraktionen schweigt sich das Lobbyregister bezeichnenderweise aus.

Bis zum 21. Februar hatten insgesamt 787 Lobbyisten, darunter 84 natürliche Personen, die Eintragung ins Lobbyregister geschafft. Zu den jüngsten Einträgen zählen zum Beispiel die Forschungsvereinigung Antriebstechnik und das Deutsche Lack-Institut. Die meisten Lobbyisten geben als Interessenbereiche Wirtschaft, Umwelt, und Gesundheit an. Bei den Verbänden sind 3.869 Personen namentlich registriert. Sie müssem auf ihrer Seite also eine Transparenz an den Tag legen, die umgekehrt von Abgeordneten und Fraktionen bei deren Mitarbeitern nicht verlangt wird.

Die Eintragung ins Lobbyregister wird online abgewickelt, und das scheint alles andere als einfach zu sein. Von der JUNGEN FREIHEIT befragte Lobbyisten bezeichneten das Register und das Verfahren als Bürokratiemonster. Zumal die strikte Umsetzung der Vorgaben Folgen hat, die rational kaum noch nachvollziehbar sind. So muß in großen Konzernen intern abgefragt werden, welche Mitarbeiter als mögliche Lobbyisten in Frage kämen. Ein Unternehmen wie Volkswagen (120.000 Beschäftigte in Deutschland) ist zum Beispiel nicht nur im Verband der Automobilindustrie (VDA), sondern hat Mitarbeiter, die etwa auch im Deutschen Feuerwehrverband sind, weil Firmen dieser Größe über eigene Werksfeuerwehren verfügen. Und könnte nicht womöglich auch ein Unternehmensarchivar von Volkswagen als Mitglied des Verbands deutscher Archivarinnen und Archivare lobbyieren, weshalb er ins Register aufzunehmen ist?  

Inzwischen bemüht sich die Bundestagsverwaltung, mit zusätzlichen Informationen für Administratoren die Eintragungsmöglichkeiten zu verbessern. Die staunten nicht schlecht, als sie von der Bundestagsverwaltung eine E-Mail mit der Betreffzeile „Entschuldigung“ erhielten. Darin bedauerte die Verwaltung, daß ein von ihr an die Lobbyisten gemeldeter „Trick“ – die vorläufige Angabe fiktiver Daten – zur frühzeitigen Auslösung des Postversands eines Freigabecodes nicht funktioniert habe und empfahl einen anderen Weg, um für die rechtzeitige Veröffentlichung schnell an den Code zu kommen. 

Andererseits droht die Bundestagsverwaltung damit, Lobbyisten müßten sich unbedingt vergewissern, daß alle Angaben richtig sind, bevor sie den mit einem Trick von der Behörde erhaltenen Freigabecode eingeben. Denn auch eine versehentliche Falschangabe im öffentlichen Lobbyregister stelle bereits eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße von bis zu 20.000 Euro geahndet werden könne.

Der Fall Amthor, die Maskenaffäre um Abgeordnete wie Georg Nüßlein (CSU) und Nikolas Löbel (CDU) oder die Vorgänge um die sogenannte Aserbaidschan-Connection (JF 19/18) hätten sich auch mit dem Lobbyregister nicht verhindern lassen.

Daß in der besonders korruptionsanfälligen Rüstungsbranche die Namen einiger früherer Abgeordneter wie Uwe Beckmeyer (SPD) und Ditmar Staffelt (SPD) auftauchen, ist immerhin ein Fingerzeig in die Richtung, wo in der Vergangenheit massiv Korruption stattgefunden hat. So hatten ehemalige SPD-Parlamentarier bei einem Panzergeschäft mit Griechenland tatkräftig mitgeholfen. Was allerdings die Organisation „Pax Christi“ unter der Aufstellung der Rüstungslobbyisten im Register soll, erschließt sich nicht.  

Foto: Abgeordnete bei der Stimmabgabe in der Lobby des Bundestags: Transparenz und Geldbußen