© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/22 / 25. Februar 2022

Auf den Hund gekommen
Drohnen: Unbemannte Waffensysteme werden nicht nur in der Luft eingesetzt / Auch die Bundeswehr setzt auf Schreit-Roboter, die Tiere nachahmen / Teil 2
Alexander Graf

Allgemein herrscht in der Debatte um Kampfdrohnen das Bild von vergleichsweise großen Flugkörpern vor, die durch ihre Ausstattung mit Bomben und Raketen nach und nach bemannte Kampfjets ablösen. Jedoch bereiten Sicherheitskreisen in ihren Überlegungen Schwärme von kleineren Drohnen weitaus mehr Sorgen. Denn sie könnten nur schwer abgewehrt werden.  

Das Magazin Newsweek zitierte im vergangenen November einen anonymen US-Militärbeamten, der sich zur Gefahr durch solche Drohnenangriffe äußerte. „Ich frage mich, was man tun könnte, wenn jemand ein paar Drohnen in ein voll besetztes Stadion steuern würde. Das könnte eine Menge Schaden anrichten. Das ist ein Szenario, mit dem man sich auseinandersetzen muß.“ 

Der Chef des australisch-amerikanischen Unternehmens Droneshield, Oleg Vornik, das unter anderem auf dem Feld der elektronischen Kriegsführung und der künstlichen Intelligenz tätig ist, ruft die Politik zum Handeln auf. Im Gespräch mit Newsweek plädierte er dafür, daß sich Regierungen mit den neuen Gefahren durch Drohnen in den falschen Händen befassen müßten. Jetzt sei es an der Zeit, entsprechende Abwehrsysteme einzurichten. „Die Mitarbeiter der Strafverfolgungsbehörden und des Heimatschutzes müssen für diese Bedrohung geschult werden, ähnlich wie bei konventionellen Angriffen.“ 

Allerdings mache er sich keine Illusionen. „Wir leben in einer reaktiven Gesellschaft“, sagt Vornik. „Felsbrocken quer über die Wege wurden erst aufgestellt, nachdem Terroristen zum Beispiel Fahrzeuge benutzt haben, um durch Menschenmengen zu brettern.“ 

Die Drohnen-Forschung läuft derweil auch auf Feldern auf Hochtouren, die für den Laien wie Stoff aus Science-fiction-Filmen klingt. Die Rede ist von animalischen Drohnen, deren Bewegungsabläufe denen von Hunden, Gemsen oder Pferden nachempfunden sind. Die vierbeinigen Konstruktionen sollen beispielsweise zusätzliche Ausrüstung auch im schwierigen Gelände transportieren können. Die US-amerikanische Firma Boston Dynamics konnte mit ihren Modellen Spot und Mule bereits beachtliche Ergebnisse vorweisen. 

Dem verschließt sich auch die Bundeswehr nicht. Das Magazin Europäische Sicherheit und Technik berichtete im November, daß die deutschen Streitkräfte sogenannte Schreitroboter der Firmen Boston Dynamics und Ghost Robotics bereits getestet und im Zusammenspiel mit Soldaten ausprobiert haben. Das deutsche Unternehmen Rheinmetall arbeitet dabei mit Ghost Robotics zusammen am Projekt „Robotics L“. Der vierbeinige Roboter-Begleiter kann demnach im Einsatz eine Nutzlast von acht bis 15 Kilogramm tragen und durch seine auswechselbare Batterie 3,5 bis zehn Stunden in Betrieb bleiben. Dabei erreicht die mit dem Spitznamen „LASSy“ versehene Drohne eine Höchstgeschwindigkeit von elf Stundenkilometern. „Robotics L“ könnte zum Transport von Ausrüstung, zur Aufklärung, aber auch zur Kommunikation eingesetzt werden. 

Insgesamt sei der „Robotisierungsgrad der westlichen Streitkräfte hochgradig vorangeschritten“, erläutert Sicherheitsdienstleister Alexander Jag mit Blick auf die weltweite Entwicklung. „Die automatisierte Gefechtsführung der USA ist dabei Welt-spitze. Mithalten können da wohl nur China, Israel, Südkorea und die Vereinigten Arabischen Emirate“, ist die Einschätzung des international vernetzten Experten. 

„Eine Mischung aus Star Wars und Terminator“

Aber wie schon der Einsatz der Bayraktar-Drohnen im Bergkarabach-Konflikt (JF 8/22) gezeigt habe, seien auch die Türken bei dem Thema nicht zu vergessen. Dabei handele es sich schließlich um die zweitgrößte Militärmacht innerhalb der Nato, gibt Jag zu bedenken. Die Bayraktar sei derzeit der türkische Exportschlager und das Land beim Thema Drohnen „hochgradig fortschrittlich aufgestellt“. 

Was bedeutet nun die voranschreitende Aufrüstung mit Drohnen für die kommenden Kriege? Der Leiter der Global AG in der Ukraine ist sich sicher, daß die symmetrische Kriegführung zwischen Nationen in Zukunft ihr Gesicht drastisch verändern wird. „In 40 bis 50 Jahren werden die Fronten dieser Welt kaum noch mit Menschen bestückt sein. Das werden keine klassischen Kriege mehr, wo sich Armeen mit Soldaten aus Fleisch und Blut gegenüberstehen, sondern wirtschaftliche Erschöpfungskriege“, wagt Jag einen Blick voraus. Dabei werden dann automatisierte Luft- und Bodenfahrzeuge gegeneinander kämpfen, gleiches gelte auf See. „Das wird dann eine Mischung aus Star Wars und Terminator“, sagt Jag unter Anspielung auf die berühmten Science-fiction-Filmreihen. In den kommenden Kriegen werde jedenfalls die Seite triumphieren, die wegen ihrer wirtschaftlichen Stärke länger durchhalte und mehr Maschinen herstellen könne. 

Was noch wie Zukunftsmusik klingt, eine kämpfende Drohnen-Infanterie, ist auch nichts mehr, was ins Reich der Spinnerei abzutun ist. Das US-Unternehmen Boston Dynamics gibt mit dem Modell Atlas die Richtung vor. Ein Roboter, der aufrecht geht, akrobatische Sprünge vollführt und Hindernisse bewältigt, wie sonst nur ein trainierter Mensch. Dabei handelt es sich gewissermaßen um den „Heiligen Gral“, gibt Jag zu. 

Aber abseits ihres Potentials als laufende Waffensysteme seien humanoide Drohnen in Konflikten auch zu Täuschungszwecken einsetzbar. Für Nachtsichtgeräte und Wärmebildkameras könnten sie mit leichten Modifikationen wie Wärmepads in der Fernaufklärung nicht von Personen zu unterscheiden sein, erläutert Jag. Das bedeute, „daß den Drohnen bis zu ihrer Enttarnung Menschenrechte eingeräumt werden“ müßten. So werde beispielsweise bei der Besetzung von umstrittenen Territorien der Gegner davor zurückschrecken, augenscheinlich menschliche Ziele auszuschalten wegen der möglichen Konsequenzen – auch von seiten der internationalen Staatengemeinschaft. „Drohnen können Sie problemlos wegschießen. Der Abschuß eines Menschen zieht Konsequenzen nach sich“, faßt der Sicherheitsdienstleister knapp zusammen.  

Damit hätten humanoide Drohnen noch einen Nutzen, der über zukünftige Einsätze als Robotersoldaten hinausgeht. Sie könnten damit im Vorfeld bewaffneter Konflikte zur Provokation und Eskalation genutzt werden. 

Doch im Moment hakt es noch bei ganz praktischen Dingen. Derzeit sei ein Problem insbesondere bei den humanoiden Bodendrohnen die Energieversorgung. Sollte es in nächster Zeit einen Forschungsdurchbruch bei den Energieträgern geben, dann könne das den Fortschritt auf diesem Gebiet massiv beschleunigen. Seine Einschätzung lautet: „Wir werden in den nächsten drei bis vier Jahrzehnten noch humanoide Bodendrohnen erleben, die für Aufgaben eingesetzt werden.“ 





Drohne Bayraktar TB2

Die türkische Kampf- und Aufklärungsdrohne Bayraktar TB2 kann bis zu 24 Stunden in der Luft verbleiben. Dabei ist sie in der Lage, vollautonom zu operieren, Ziele auszuspähen und nach zuvor festgelegten Parametern anzugreifen. Sie kann mit bis zu vier lasergelenkten 22-Kilogramm-Bomben ausgestattet werden oder einer L-UMTAS-Rakete. Das Zielerfassungssystem der Bayraktar-Drohne stammt von der deutschen Firma Hensoldt aus dem bayerischen Taufkirchen. Da sie billiger als vergleichbare amerikanische oder israelische Drohnen ist, hat sie sich zu einem Exportschlager entwickelt. Sie wird seit dem Jahr 2014 verwendet. Neben dem türkischen Militär wird sie beispielsweise von Polen, Aserbaidschan und Marokko genutzt. Im Bergkarabach-Krieg 2020 setzte Aserbaidschan sie ein, um die armenische Flugabwehr und Panzer zu zerstören. Einer der Hauptabnehmer-Staaten der Bayraktar TB2 ist die Ukraine. (ag)

Foto: Soldat mit vierbeinigem Roboter: „In den nächsten drei bis vier Jahrzehnten werden wir menschenähnliche Bodendrohnen erleben“