© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/22 / 25. Februar 2022

„Existentielle Schwierigkeiten“
Eurovignetten-Richtlinie: Die „Klima-Maut“ für Lkw bringt dem Fiskus neue Milliardeneinnahmen / Bald auch Pkws betroffen?
Christian Schreiber

Während die Bürger und Teile der Wirtschaft weiter unter Corona-Maßnahmen leiden, sprudeln die Steuereinnahmen: 57,6 Milliarden Euro kassierten Bund, Länder und Gemeinden im Januar ein – das waren 22,4 Prozent mehr als im Januar 2021. Haupteinnahmequelle waren Umsatz- und Lohnsteuer. Demnächst bekommt Bundesfinanzminister Christian Lindner eine weitere Geldquelle hinzu: die „Klima-Maut“. Die hat der FDP-Politiker zwar nicht selbst erfunden, aber seine Parteifreunde im EU-Parlament haben die Zusatzabgabe für Lkws und Transporter auf Autobahnen und Bundesstraßen freudig abgenickt – nur die Rechtsparteien waren konsequent dagegen.

„Die neuen Regeln sehen differenzierte Nutzungs- und Infrastrukturgebühren auf der Grundlage des CO2-Ausstoßes vor und führen eine obligatorische Gebühr für externe Kosten von schweren Nutzfahrzeugen ein“, erklärte EU-Verkehrskommissarin Adina Vălean. FDP-Verkehrsminister Volker Wissing muß nun die verschärfte Eurovignetten-Richtlinie bis spätestens März 2024 umsetzen. Aber er hat dabei großen Spielraum: Sie können nur den Mindestsatz erheben – oder auch das Doppelte. Im ersten Fall nähme der Fiskus 3,3 Milliarden Euro pro Jahre ein, im anderen 6,6 Milliarden Euro.

Der grüne Koalitionspartner macht daher Druck: „Die CO2-Differenzierung muß so ausgestaltet sein, daß es finanziell deutlich vorteilhafter wird, Güter klimaneutral zu transportieren“, forderte der bahnpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Matthias Gastel. Mit den Zusatzmilliarden könnten Gewerbegebiete ans Schienennetz angeschlossen, Güterumschlagsterminals gebaut und elektrische Lkws gefördert werden. Im Ampel-Koalitionsvertrag ist der Passus allgemein gehalten: „Wir werden 2023 eine CO2-Differenzierung der Lkw-Maut vornehmen, den gewerblichen Güterkraftverkehr ab 3,5 Tonnen einbeziehen und einen CO2-Zuschlag einführen.“ Das Verkehrsministerium sieht daher erst einmal keinen Anlaß zur Eile.

Für die Spediteure ist die zusätzliche „Klima-Maut“ ein Schlag ins Gesicht. Es droht eine Pleitewelle – nicht nur wegen der Diesel-, sondern auch wegen der Gaspreise. Daher schrieb der Bundesverband Güterkraftverkehr (BGL) an Wirtschaftsminister Robert Habeck einen Brandbrief: „Speditions-, Transport- und Logistikunternehmen, die zu einem hohen Anteil oder sogar vollständig auf gasbetriebene Lkw umgestellt haben, geraten dadurch unmittelbar in existentielle Schwierigkeiten, bis hin zur Insolvenz.“ Der BGL fordert den Grünen-Politiker auf, „einen Rettungsschirm für die existenzgefährdeten Unternehmer einzurichten“.

Der Mittelstand kann die Kosten eigentlich nicht mehr schultern

Laut BGL investieren die Firmen vermehrt in Lkws, die mit Flüssiggas (LNG) getrieben werden. In der Anschaffung sind sie deutlich teurer als die  Diesel-Modelle. „Treiber des Markthochlaufes“ seien die „bis Ende 2023 bestehende Mautbefreiung und der bis Sommer 2021 wettbewerbsfähige Preis von LNG“ gewesen. Doch vor allem durch die Ukraine-Krise gehen die Gaspreise nun durch die Decke. „Ein Mittelständischer Betrieb kann die Kosten eigentlich nicht mehr schultern.“

Wissings parlamentarischer Staatssekretär Oliver Luksic (FDP) machte wenig Hoffnung auf Hilfen. Man sei „in Abstimmung“ mit dem für Hilfen zuständigen Wirtschaftsministerium. Zugleich verwies Luksic darauf, daß der Bund LNG „durch einen ermäßigten Energiesteuersatz und die laufende Mautbefreiung sowie indirekt durch seine relative Wettbewerbsfähigkeit im Brennstoff­emissionshandel“ fördere. Und es könnte alles noch viel schlimmer werden, wenn sich der elektrische Pkw tatsächlich gegen die Benziner und Diesel durchsetzt. Denn dann sinken die milliardenschweren Einnahmen aus der Energie- und Kfz-Steuer drastisch. Reine E-Autos sind für bis zu zehn Jahre von der Kfz-Steuer befreit, danach gilt ein Rabatt von 50 Prozent. Und Strom soll von Abgaben entlastet werden. Die Lösung liegt daher fast schon auf der Hand: Das Thema Pkw-Maut dürfte also in Deutschland bald wieder auf der Tagesordnung stehen.

Das Umweltbundesamt (UBA) hat eine solche „Verkehrswende“ schon vor der Bundestagswahl skizziert: „Eine fahrleistungsabhängige Pkw-Maut setzt Anreize, Autofahrten zu verkürzen oder ganz einzusparen oder stattdessen auf klimafreundlichere Verkehrsmittel umzusteigen“, heißt es in dem UBA-Papier. Vom ADAC, einst Anwalt der Autofahrer, und mit 21 Millionen Mitgliedern der größte Verein Deutschlands, ist wohl auch keine große Hilfe zu erwarten. Man wende sich nicht gegen gezielte Preissignale für mehr Klimaschutz, teilte die dem Zeitgeist huldigende Verbandsführung mit.

Foto: Überlastete Bundesstraße bei München: Umstieg auf andere Verkehrsmittel?