© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/22 / 25. Februar 2022

Fingerabdrücke sind verzeihlich, tiefe Kratzer nicht
Geldanlagen: Tim Schieferstein erklärt seinen Lesern, wie sich mit Gold und Silber in Zeiten finanzieller Repression Ersparnisse retten lassen
Harald Melzer

Die Inflationsrate lag im Januar bei 4,9 Prozent, nach EU-Statistik (HVPI) waren es sogar 5,1 Prozent. Zinsen aufs Sparbuch oder für Bundesanleihen bekommt man nicht mehr. Banken verlangen schon ab wenigen tausend Euro ein „Verwahrgeld“, also Strafzinsen. „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“ – gilt das noch? Nach beiden Weltkriegen entpuppte sich das schon einmal als falsches Versprechen. Bei der Währungsreform in den drei Westzonen wurden 1948 aus 100 Reichsmark 6,50 D-Mark – ein Verlust von 94 Prozent. Bei der Neufestsetzung des Aktienkapitals gab es eine Umstellung von 10 zu 8,2 – sprich: Der formale Verlust für die Aktionäre – ungeachtet der Kriegsschäden und Reparationen – belief sich hingegen „nur“ auf 18 Prozent.

Zu D-Mark-Zeiten gab es zwar auch Inflation, doch die Sparzinsen lagen fast immer darüber. Der Sparerfreibetrag bei den Zinserträgen lag bis 1999 bei 6.000 Mark. Gleichzeitig wertete die D-Mark spürbar auf: 1957 mußten 4,20 D-Mark für einen Dollar bezahlt werden. 1997 waren es nur noch 1,73 D-Mark. Doch seit der Eurokrise und den Mini- und Negativzinsen bei gleichzeitig gestiegener Inflation gilt das nicht mehr: Selbst verzinstes Spar- und Versicherungsgeld verliert real an Wert. Wie also in Zeiten der „finanziellen Repression“ sein Vermögen vermehren oder wenigstens bewahren?

„Investieren statt sparen“ empfahl Max Otte schon 2016 in seinem Bestseller – und darin widmet sich der Ökonom auch alternativen Anlagen wie Gold, Oldtimern oder Wein. 

Sechs Jahre später hat sich die Situation weiter verschärft. Doch der deutsche Anleger ist weiter vorsichtig und möchte sein Risiko breit gestreut wissen. Seit der Lehman-Pleite 2008 und zahlreichen geplatzten Anlagen mit Totalverlusten mißtrauen viele zu Recht selbst Sparkassenberatern. Und das nächste Wirecard-Desaster wird nicht ausbleiben. Seit November 2021 hat sich der Kurs des Bitcoins fast halbiert. Die Prognosen der Märkte für das Jahr 2022 sind verhalten optimistisch.

Ulrich Stephan rechnet aber mit keiner Jahresendrallye an den Börsen. Vielmehr hofft der Deutsche-Bank-Analyst auf ein Ende der Corona-Pandemie im Frühjahr sowie auf eine sinkende Inflation. Mick Knauff, langjähriger N24-Börsenkorrespondent, empfiehlt in seinen Anlegerseminaren: „Kaufen und empfehlen Sie nichts, was sie nicht kennen oder nicht verstehen.“ Eine Alternative oder eine Ergänzung zu bewährten Aktien und Fonds stellt sicher die Investition in Edelmetalle dar: Zur Euro-Einführung war eine Goldunze für 300 Euro zu haben – heute sind es 1.680 Euro.

Der „innere Wert“ von Edelmetallen ist langfristig stabil

Tim Schieferstein, Geschäftsführer eines der größten Edelmetallhäuser Europas, der Solit-Gruppe, hat darüber ein lesenswertes Buch geschrieben. Es soll die Grundlagen für den Handel mit Gold, Silber und anderen Edelmetallen für jeden verständlich darlegen. Natürlich kann man dem Autor unterstellen, daß dies nur eine Masche ist, um sein eigenes Geschäft anzukurbeln – aber das gilt auch für Aktien- oder Fonds-Bücher. Wenn man dies immer im Hinterkopf hat, dann bietet das reich bebilderte Buch auf 250 Seiten die exzellente Möglichkeit, sich im Bereich Edelmetalle fundiert zu informieren. Schieferstein fängt mit einem Rückblick über die Geschichte des Goldes und seines Wertbestandes an. So erfährt der Leser unter anderem, daß „der innere Wert von Gold“, also nicht der Preis in einer Währung gerechnet, sondern der tatsächliche Gegenwert an Waren und Dienstleistungen, in der Vergangenheit immer Stabilität aufwies. Für eine Feinunze Gold konnte man sich in den vergangenen 200 Jahren fast immer einen Maßanzug kaufen. Natürlich sind das plakative Beispiele, die es aber ermöglichen, sich in die Materie einzufinden. Später erklärt Schieferstein die Vorteile von Gold und Silber, aber auch ihre Unterschiede in Handel, Wertbestand und Volatilität.

Er erklärt mit vielen Charts und Schaubildern die Vorteile, aber auch Risiken des Edelmetallhandels und gibt praktische Tips zu Anlageformen, Kauf, Aufbewahrung und Lagerungen. Schließlich gibt es Barren und Anlagemünzen und diese auch noch in verschiedenen Qualitäten – von Krügerrand, Mapple Leaf, Britannia, Wiener Philharmoniker bis zu Vreneli, Sovereign oder Arche Noah. Der Leser gewinnt einen Überblick über die verschiedenen Münzen und Barren, aber auch worauf zu achten ist: Beschaffenheit und Fehler. Bei Münzen sind Fingerabdrücke verzeihlich, tiefe Kratzer hingegen nicht. Sie mindern den Wert erheblich. Auch bei den Barren gibt es Unterschiede. Unter anderem stellt er die verschiedenen Hersteller von Gold- und Silberbarren sowie deren Spezialitäten vor. Dabei nutzt er die Gelegenheit und erklärt, wie Fälschungen zu erkennen sind. Auch auf Platin, Palladium und Rhodium geht Schieferstein ein, selbst den Bitcoin stellt er vor. Einen praktischen Schlußpunkt setzt er mit der Vorstellung verschiedener Anlagemöglichkeiten, bei denen Gold und Silber berücksichtigt werden. Dennoch gilt aber die wichtigste Anlageweisheit auch bei Edelmetallen: Tue niemals alle Eier in einen Korb.

Tim Schieferstein:  Gold & Silber für Einsteiger. Goldwerte Tips für Auswahl, Kauf und Aufbewahrung. Verlag Solit Management, Wiesbaden 2021, broschiert, 248 Seiten, 14,90 Euro