© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/22 / 25. Februar 2022

Fairneß trotz Distanz
Film: Zur Premiere der AfD-Doku „Eine deutsche Partei“
Jörg Kürschner

Wie ticken AfD-Politiker? Diese Frage sucht der Regisseur Simon Brückner (44) in seinem Dokumentarfilm „Eine deutsche Partei“ zu beantworten, der am Freitag voriger Woche auf der Berlinale Premiere hatte. Brückner begleitete zwischen 2019 und 2021 Bundes-, Landes- und Bezirkspolitiker der AfD in den Parlamenten, auf Parteitagen und Wahlveranstaltungen, und auch während interner Sitzungen lief seine Kamera. Alles bleibt unkommentiert, selbst die sechs Kapitel, in die der Filmemacher seine Doku unterteilt hat, sind titellos.

So wird der Zuschauer Zeuge, wie der Berliner Fraktionsvorstand die Plenarsitzungen vorbereitet und den Wahlkampf strategisch plant. Da prallen die Gegensätze ohne Knautschzone aufeinander, etwa in der Corona-Politik. Vehement streiten sich zwei Abgeordnete, Ärzte von Beruf, über die Wirksamkeit von PCR-Tests. Schließlich muß der damalige Landes- und Fraktionschef Georg Pazderski resigniert feststellen: „Wir haben keine klare Position.“

Auf dem Parteitag in Braunschweig im Dezember 2019 kandidiert der nationalkonservative Pazderski für den Posten des Vize-Bundessprechers und unterliegt knapp Stephan Protschka, der als Anhänger des Flügels gilt. Geschlagen und angeschlagen verläßt der ehemalige Oberst den Parteitag, wird beim Hinausgehen überrascht von der Nachricht einer Siegesfeier. Auch hier verzichtet der Regisseur auf Interviews, läßt die Szene für sich sprechen. Ein einsamer Mann geht von Bord.

Parteiprominenz kommt kaum zu Wort

So erfährt der Zuschauer viel über das Innenleben der AfD – ohne die üblichen belehrenden Erläuterungen oder Einordnungen. Auf die Bloßstellung von Personen wird verzichtet, die Parteiprominenz kommt ins Bild, aber kaum zu Wort. Noch nicht einmal Alexander Gauland. Der Partei fehle jemand mit Charisma, bedauert ein Parteivertreter und verweist anerkennend auf den AfD-Ehrenvorsitzenden. Eine mitreißende Persönlichkeit, die Wähler begeistert wie einst in Österreich FPÖ-Chef Jörg Haider, sucht man in der AfD vergebens.

Brückner geht es offenbar darum, die unterschiedlichen Positionen in der Partei zu markieren. Und die Risse werden sichtbar, die Unterschiede könnten kaum größer sein. Gespenstisch mutet eine öffentliche Kundgebung auf dem Erfurter Domplatz an. „Impfen ist für den Arsch“, rufen einige lautstark, oder „Meuthen muß weg“. Der Austritt des Parteichefs Jörg Meuthen wird am Ende der Langzeitreportage noch erwähnt.

Es ist erstaunlich, daß die AfD Brückner, der in einem 68er-Haushalt aufgewachsen ist, so viel Einblick nehmen ließ in Parteiinterna. Ergebnis: Eine faire Darstellung über die AfD ist möglich, trotz klarer politischer Distanz des Filmemachers. Möge sich das Publikum also ein eigenes Urteil bilden.

Der 110 Minuten lange Film soll demnächst auch in ausgewählten Kinos anlaufen.