© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/22 / 04. März 2022

Ländersache: Hessen
Merkels letzter Mann
Christian Vollradt

Wahrscheinlich war es die letzte Möglichkeit für Hessens Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU), gesichtswahrend aus dem Amt zu finden. Der aktuell dienstälteste Landesvater hat angekündigt, Ende Mai  nach fast zwölf Jahren an der Spitze einer Landesregierung zurückzutreten. Bei einem Treffen in Fulda Ende vergangener Woche installierten die hessischen Christdemokraten auch den designierten Nachfolger: Landtagspräsident Boris Rhein soll Ministerpräsident und Parteivorsitzender werden.

Bouffiers Abgang war von nicht wenigen in der Landespartei schon länger ersehnt worden. Vor allem an der Basis der früher für ihren „Stahlhelm-Flügel“ bundesweit bekannten Hessen-CDU hatte der 70 Jahre alte Politiker an Sympathien stark eingebüßt. Ihr Vorwurf: Jedesmal hatte Bouffier auf das innerparteilich falsche Pferd gesetzt. Er hatte in den Rennen um den Bundesvorsitz zunächst Annegret Kramp-Karrenbauer gegen Friedrich Merz unterstützt, dann Armin Laschet gegen Merz; und er war gemeinsam mit dem damaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble derjenige, der den von der Basis bevorzugten CSU-Chef Markus Söder in der Frage der Kanzlerkandidatur zur – späten –  Kapitulation zwang. Als er nach der Blamage bei der Bundestagswahl dann auch noch den chancenlosen Exoten und Merkel-Paladin Helge Braun als neuen Parteichef präferierte, war Bouffier bei vielen Parteifreunden zwischen Hofgeismar und Heppenheim völlig unten durch.

Dabei galt der Noch-Ministerpräsident einmal als harter Hund und rechter Knochen. Wie sein Vorgänger Roland Koch gehörte er zum berühmt-berüchtigten JU-Karrierenetzwerk „Anden-Pakt“. Als Koch 1999 die Landtagswahl gewann – dank einer nach heutigen Maßstäben „rechtspopulistischen“ Kampagne gegen die von Rot-Grün im Bund vorangetriebene doppelte Staatsangehörigkeit, – da machte der Neue in der Staatskanzlei Bouffier zu seinem Innenminister und „Schwarzen Sheriff“.

Spätestens nach seinen erfolgreichen Koalitionsverhandlungen 2013 mit den Grünen – die erste Zusammenarbeit von CDU und Grünen in einem deutschen Flächenland –, war davon bei dem inzwischen zum Ministerpräsidenten aufgerückten nicht mehr viel zu erkennen. Bouffier positionierte sich auch in der Krise der verfehlten Asyl- und Migrationspolitik als einer der treuesten politischen Wegbegleiter Angela Merkels. Spätestens mit ihrem Abschied aus der Politik sank auch sein Stern. 

Nun vermochte es der scheidende Landesvater noch nicht einmal mehr, seinen Wunschnachfolger oder seine Wunschnachfolgerin zu installieren. Im Gespräch dafür sollen Helge Braun – nach seinem schwachen Abschneiden beim Mitgliedervotum um den Bundesvorsitz allerdings „verbrannt“ – und die Fraktionsvorsitzende der CDU im hessischen Landtag, Ines Claus, gewesen sein. Nun soll es also Boris Rhein machen, dem damit knapp eineinhalb Jahre bis zur Landtagswahl im Herbst 2023 blieben. Wie Bouffier galt auch der 50jährige Rhein – ehemaliger Innen-, später Wissenschaftsminister – einmal als deutlich konservativer, bevor nach manchen politischen Häutungen davon nur noch Restbestände übrig sind.