© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/22 / 04. März 2022

Von der Friedensdividende zu kommenden Kriegsgewinnen?
Olafs Kurssprünge
Thomas Kirchner

Nach Ende des Kalten Kriegs konnten sich Anleger über die Friedensdividende freuen. Jetzt muß wieder zwischen Kriegsgewinnern und -verlierern differenziert werden. Die Bomben in der Ukraine führten zu einer Achterbahnfahrt an den Börsen. Nicht unbedingt weil Anleger direkte Kriegsauswirkungen im Westen befürchteten, sondern aus Angst, andere könnten wie zu Beginn der Corona-Pandemie verschreckt verkaufen. Das ohnehin schon wegen Zinserhöhungen, Crash der Technologiewerte und Inflation wackelige Marktumfeld verstärkte die anfängliche Panik.

Anders verhält es sich natürlich bei den beiden Kriegsparteien. Bevor der Handel zeitweise eingestellt wurde, verlor der Moskauer Börsen­index Moex etwa 250 Milliarden Dollar an Marktwert – das ist viel für ein Land mit einem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von nur 11.273 Dollar. Zum Vergleich: Die deutschen Steuereinnahmen lagen 2021 bei umgerechnet 852 Milliarden Dollar, das BIP liegt bei 50.788 Dollar pro Kopf. Die Börse in Kiew hat nach Beginn der Invasion gar nicht erst geöffnet. Mußte man im November nur 70 Rubel für einen Dollar auf den Tisch legen, waren es am Tag der Invasion schon 88, inzwischen sind es über 100. Die ukrainische Griwna verfiel im gleichen Zeitraum nur von 26 auf 30.

Rußland stand vor dem Einmarsch finanziell eigentlich bestens da. Die Sanktionen sind das Problem. Rußland verbot Ausländern den Verkauf von Wertpapieren. Selbst wenn es wieder erlaubt wird, ist unklar, ob man angesichts der Sanktionen an die Erlöse kommt. Russische Firmen mit Staatsbeteiligung sind verpflichtet, die Hälfte ihrer Gewinne als Dividenden auszuzahlen. So finanziert Putin seinen Haushalt, entsprechend hoch erscheinen jetzt die bis zu 40prozentigen Dividendenrenditen. Gazprom, Rosneft oder Lukoil werden auch in Deutschland im Freiverkehr gehandelt, sind aber nur Schnäppchen, wenn die Dividenden nicht unter die Sanktionen fallen. Die Gewinnchancen sind möglicherweise nur Theorie. Der russische Energiesektor ist kapitalhungrig, westliche Banken haben sich in Rußland direkt oder auch indirekt (Öltanker, Flugzeuge) engagiert und wissen nun nicht, ob die Zins- und Tilgungszahlungen sanktioniert sind. Wegen des gestiegenen Länderrisikos dürften sie die Kreditrahmen bereits verringert haben. Damit ist der Zugang russischer Firmen zu den westlichen Finanzmärkten eingeschränkt, selbst wenn die Sanktionen aufgeweicht werden sollten.

Eindeutige Kriegsgewinner sind Rüstungsfirmen. Anfang Februar noch unter Druck wegen neuer EU-Regeln, die ihnen die Nachhaltigkeit aberkennen und den Zugang zu Kapital erschweren würden (JF 6/22), haben die Aktien kräftig zugelegt, insbesondere in den drei Tagen nach der Ukraine-Invasion: Rheinmetall +40 Prozent, Thales (Paris) +22 Prozent, BAE Systems (London) +20 Prozent. Der größte Teil des Kurssprungs fand am Montag nach der Ankündigung von Kanzler Olaf Scholz statt, die Bundeswehr wieder in eine echte Armee umzuwandeln.

US-Rüstungskonzerne haben bislang weniger stark von den neuen deutschen Rüstungsplänen profitiert, die meisten Werte stiegen um weniger als 15 Prozent. Am Trend der vergangenen zwölf Monate hat die Ukraine-Invasion allerdings nichts geändert: Technologiewerte bleiben unter Druck, Energietitel profitieren von den hohen Öl- und Gaspreisen. Ob die russischen Energieriesen auch für Anleger noch zu Gewinnern werden, hängt von der Ausgestaltung der Sanktionen ab.