© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/22 / 04. März 2022

Wissenschaftsfreiheit heißt nicht Widerspruchsfreiheit
Verteidigung des Meinungsterrors
(dg)

In der „Cancel Culture“, die ihre historischen Ursprünge in den USA der 1960er hat, ist es üblich, zu einem Boykott von Personen oder Unternehmen aufzurufen, die sich aus Sicht der Aufrufenden ihnen gegenüber „falsch“ oder „diskriminierend“ verhalten haben. Diese öffentliche Ächtung bewirkt  dann, daß ihnen die „Aufmerksamkeit und Teilhabe am öffentlichen Diskurs entzogen wird“. So lautet die maximal verharmlosende Definition eines auf die Zerstörung der sozialen und nicht selten auch materiellen Existenz seiner Opfer gerichteten Meinungsterrors, die die dunkelhäutige Journalistin Fahima Makanga im Magazin Katapult (24/2022) vorträgt. Entsprechend dieser Definition spielt Makanga den Fall des bisher prominentesten Opfers der Cancel Culture an europäischen Universitäten, der britischen Philosophin Kathleen Stock (JF 45/21), herunter. Der Apologie des NDR- und Übermedien-Journalisten Andrej Reisin folgend, behauptet Makanga, Stock habe ihre gegen die Trans-Lobby gerichtete „biologistische Lesart von Geschlecht“ nicht als Wissenschaftlerin geäußert. Dazu fehle ihr die Kompetenz, denn sie sei auf dem Forschungsfeld „Geschlechterstudien“ nicht aktiv, sondern habe sich zumindest bis 2018 auf ihre Schwerpunkte Ästhetik, Literatur-, Film- und Musiktheorie konzentriert. Also habe sie sich zum Transsexuellengesetz primär als „politische Aktivistin“ geäußert. Deswegen müsse sie wie jeder andere Bürger für ihre Überzeugungen einstehen und  „Gegenwind“ aushalten. Wissenschaftsfreiheit garantiere eben keine Widerspruchsfreiheit. Es sei schlimmstenfalls „höchst problematisch“, sie „teilweise“ an der Ausübung ihres Berufes als Wissenschaftlerin gehindert zu haben. 


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