© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/22 / 04. März 2022

CD-Kritik: Philippe Jaroussky, Thibaut Garcia
Remember me ...
Jens Knorr

Die alterslose Stimme der Countertenöre altert früh. Zum guten Beschluß wagt der französische Sopranist Philippe Jaroussky ein Experiment. Das mit dem Gitarristen Thibaut Garcia aufgenommene Album „À sa guitare“ entlehnt seinen Titel dem eröffnenden Lied von Francis Poulenc. Fast wirkt es wie eine Abschiedsreise durch Zeit (von der Renaissance bis ins 20. Jahrhundert) und Raum (von Europa bis Lateinamerika) und mit wehmütigem Rückblick auf alle Genres, denen sich Jaroussky in seiner 20jährigen Sängerkarriere gestellt hat. „Remember me …“, heißt es in Didos Lamento.

Da ist immer noch das überirdisch zarte Timbre, die verführerische Linie im Canto spianato, dem schlichten Gesang, doch klingt die Linie oft schon dünnfädig und zittrig. Da ist immer noch die Virtuosität im Canto fiorito, dem verzierten Gesang, doch unter die silbrig perlenden Töne mischen sich drahtig grelle. Immer aber findet die Stimme sich in den intimen Saitenklängen der Gitarre aufgehoben.

Weiß sich Jaroussky bei Fauré und Poulenc, aber auch bei Caccini, Paisiello, Rossini oder Dowland, Purcell und Britten zu Hause, so scheinen erstaunlicherweise das Chanson „Septembre“ von Barbara oder der Bossa Nova „Manhã de Carnaval“ von Luiz Bonfá wie für seine Stimme und Garcias Instrument gemacht. Mit dem deutschen Lied fremdelt der Falsettist nach wie vor: sein „Erlkönig“ mag allenfalls als Erlenprinzchen durchgehen. Und doch kann die Stimme dieses Sängers immer noch mehr verwirren als die Stimmen anderer in voller Blüte.

Philippe Jaroussky, Thibaut Garcia À sa guitare Erato 2021  www.philippejaroussky.fr www.thibautgarcia-guitarist.com www.warnerclassics.com