© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/22 / 04. März 2022

Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann
Gute Zeiten für eiskalte Machtmenschen: Die legendären Mafiafilme „Der Pate“ und „Der Pate II“ laufen wieder in ausgewählten Kinos
Dietmar Mehrens

Da sich in diesem Monat die Weltpremiere des ersten „Der Pate“-Films nach dem gleichnamigen Roman von Mario Puzo zum fünfzigsten Mal jährt, ist es vielleicht gar keine schlechte Idee, die beiden Meilensteine des Films jetzt noch einmal in ausgewählten Kinos laufen zu lassen. Denn teure Werbebudgets machen Filme, die dann aufgrund widriger Umstände, wie es sie in den vergangenen 24 Monaten bekanntlich häufiger gab, doch nicht zum vorgesehenen Starttermin in den Kinos anlaufen können, zu einem dramatischen Verlustgeschäft für Verleih- und Produktionsfirma. Es hat sich daher als taktisch kluge Lösung erwiesen, ältere Filme wieder neu in die Kinos zu bringen, Filme, die kurz vor der Pandemie angelaufen sind, oder Klassiker, deren Titel allein Werbung genug sind und die mithin ohne künstlich erzeugte Aufmerksamkeitswelle auskommen.

Das trifft auf die beiden legendären Mafia-Epen von Francis Ford Coppola allemal zu. Ein Hauptdarsteller (Marlon Brando als Vito Corleone), der die ganze Zeit so penetrant nuschelt, daß man es als Zuschauer mit den Nerven kriegen kann; das geflügelte Wort vom „Angebot, das man nicht ablehnen kann“; der abgeschnittene Pferdekopf, neben dem – zum Nachweis der Unablehnbarkeit des Angebots – ein Liebhaber des Reitsports eines Morgens aufwacht; die epische Inszenierung eines Familienfests (von Michael Cimino in „Die durch die Hölle gehen“ 1978 erfolgreich kopiert); die Parallelmontage als kinematographischer Kunstgriff, durch den im selben Film zwei weitgehend voneinander unabhängige Geschichten so fesselnd miteinander verwoben werden wie in „Der Pate II“: die beiden Mafia-Opern von Francis Ford Coppola haben gleich in mehrfacher Hinsicht Filmgeschichte geschrieben und rangieren bei der von Cineasten betriebenen internationalen Filmdatenbank IMDB seit Jahren ganz oben: „Der Pate“ steht auf Platz zwei, „Der Pate II“ auf Platz drei der ewigen Bestenliste. Daß die Geschichte vom Glanz und Elend formvollendeter Verbrecher, die eine bürgerliche Fassade der Wohlanständigkeit pflegen, zeitlos ist, läßt sich allein an diesem Platz an der Sonne im kollektiven Gedächtnis der Filmfanatiker ablesen.

Der aufrechte Sohn wird immer mehr in die Verbrechen verstrickt

Die behauptete Zeitlosigkeit hält auch einem aktuellen Praxistest stand. Ohne jeden Zweifel gehört es zu den erschütterndsten Erkenntnissen, die einen beim Ansehen der „Godfather“-Filme ereilen, wie furchtbar Menschen sich verändern können. Michael Corleone (Al Pacino) ist im ersten Teil der Trilogie (1990 legte Coppola noch einen dritten Film nach) derjenige, der sich am energischsten von dem Verbrechersyndikat seines Vaters Don Vito distanziert. Er hat hat eine attraktive, grundsolide Frau (Diane Keaton) gefunden und im Weltkrieg gedient. Demonstrativ taucht er in Uniform bei der Familie auf und hofft sich von ihren dubiosen Geschäften fernhalten zu können. Wenn einer den Absprung geschafft hat, den Sprung von der kriminellen in die ehrbare Existenz eines Edelmanns, dann Michael Corleone.

Doch ein Bandenkrieg, der in einem Mordanschlag auf seinen Vater gipfelt, und die traditionell engen familiären Bande der italienischen Einwanderer führen dazu, daß sich der aufrechte Michael immer mehr in die verbrecherischen Machenschaften des Mafiaclans verstrickt und schließlich nicht mehr daraus befreien kann. Als derjenige von Don Vitos Söhnen, der über den klarsten Kopf und den hellsten Verstand verfügt, ist er schließlich prädestiniert dazu, in dessen Fußstapfen zu treten.

Wie kaltherzig und brutal rational er schließlich im zweiten Teil der Saga mit seinem Bruder Fredo (John Cazale) verfährt, der bei der Familie in Ungnade gefallen ist, gehört sicherlich zu den verstörendsten Szenen nicht nur der drei Filme, sondern der gesamten Filmhistorie: eine Szene, die nicht nur immer wieder sprachlos macht, sondern auch Anknüpfungspunkte in vielerlei Richtungen bietet. Da wären zum einen all die Fredos, die in jüngster Vergangenheit von Familienmitgliedern oder engen Freunden fallengelassen wurden wie eine heiße Kartoffel, weil sie sich bei politischen Streitfragen auf die Seite vermeintlicher Populisten gestellt oder weil sie beim Thema Impfen die falsche Position vertreten haben. Und da wäre zum anderen die aktuelle Lage in der internationalen Politik: Wer würde nicht an die zwei Gesichter Wladimir Putins denken, der den guten Michael aus der Saga erstem Teil gab, als er sich 2001 im Bundestag mit einer Haltung der Versöhnlichkeit, ja Zuneigung in deutscher Sprache an seine Zuhörer wandte, und jetzt, 2022, auf einmal agiert wie der eiskalte Killer, zu dem Michael Corleone in dem Mafia-Epos mutiert? 

Ob mit oder ohne solche Assoziationen: Wer sich die beiden Filme von 1972 und 1974 jetzt noch einmal im Kino anschaut, dem sind kalte Schauer, dem ist eine Erschütterung, die unter die Haut geht, sicher.