© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/22 / 04. März 2022

Leserbriefe

Zu: „Putin zielt auf eine Revision“ von Dieter Stein, JF 9/22

Blutrausch eines angeschossenen Bären

Moskau hat Blut geleckt und verhält sich wie ein angeschossener Bär, der in seinem Blutrausch nichts mehr zu verlieren hat. Und nicht mehr verlieren will! Ich sehe keine Lösung in diesem großen Konflikt. Der Westen will nicht zurückrudern, und Rußland will nicht zum weiteren Mal der Verlierer sein. Und Rußland hat offen gesagt, auch die baltischen Staaten und Finnland könnten auf der Speisekarte stehen. Wie weit wird Rußland gehen und wann stoppt der Westen auf welche Art und Weise das Vorhaben? Es geht nicht nur um die Ukraine. Viele kleine Baustellen zwischen dem Westen und Rußland werden wieder auf den Tisch kommen. Und dann sind da noch die militärischen Spielchen und Drohgebärden der beiden Großmächte. Zu Wasser. Zu Lande. In der Luft. Jagen, provozieren, täuschen und testen, wie weit man gehen kann. Schwächen des Gegners ausloten. Und dann kommt auch wieder der große Krieg aus Versehen auf die weltpolitische Manege. Wir brauchen einen langen Atem. Und vielleicht auch ein bißchen Glück.

Markus Speer, Pforzheim




Putin im Spiegelbild Kennedys 1962

Die Nato dachte, sie könnte sich dem „sibirischen Tiger“, unter Wortbruch, immer weiter nähern. Putin hat gehandelt wie Kennedy in der „Kuba-Krise“; im Interesse seines Landes. Das Ganze ist jedoch nur ein „Sandkastenspiel“. Die wirkliche Front der Zukunft verläuft zwischen China und der Nato, einschließlich Rußlands.

Werner B. Wegmann, Ludwigshafen






Zu: „Den bittersten Preis zahlt Kiew“ von Bruno Bandulet, JF 8/22

Eine sehr einseitige Lesart

Der Autor spricht euphemistisch vom „Anschluß“ der Krim. Dieser gelang nur mit Hilfe einer Invasion von grünen Männchen, die zur Tarnung ohne russische Abzeichen vorgingen. Es fand zuvor keine Befragung der Krimbewohner mittels Volksabstimmung statt. So sieht Geopolitik aus, die offenbar Bandulets Billigung findet. Genauso spricht er von einem demokratisch gewählten Präsidenten in der Ukraine. Er meint Janukowytsch, der bekanntermaßen eine Marionette Moskaus war und als solche das geplante Assoziierungsabkommen mit der EU im Herbst 2013 ablehnte. Was die Unruhen und seine Vertreibung auslöste, da die Menschen ein solches Abkommen sehr wünschten. Die Ukrainer waren mit den wirtschaftlichen Verhältnissen durch die enge Bindung an Rußland unzufrieden. Soviel zur seinerzeitigen „Demokratie“ in der Ukraine. 

Bandulet erwähnt das Drängen der ClintonRegierung, die Ukraine und Georgien in die Nato aufzunehmen. Das Drängen der Betroffenen ignoriert er, wiewohl der dringende Wunsch auf Nato-Beitritt sogar in der Verfassung der Ukraine niedergeschrieben ist. Merkel lehnte das seinerzeit ab, möglicherweise um den Russen wegen der Wiedervereinigung zu danken und deren Zustimmung dazu zu vergelten. Aber genau in das Gebiet dieser Staaten hat Putin nun seine Grenzen verschoben. Zur Erinnerung: 2008 drohte Rußland dem georgischen Präsidenten Saakaschwili mit einer Sprirale der Konfrontation, sollte sein Land einen Beitritt zur Nato anstreben. Wenige Wochen danach folgte mit dem Kaukasuskrieg 2008 die Intervention russischer Streitkräfte in Südossetien und Abchasien. Die Ängste und Interessen der Betroffenen spielen auf dem Schachbrett der Geopolitik Bandulets keine Rolle. Hinter der roten Linie im Westen Rußlands hat man zu schweigen und zuzustimmen.

Walter Hofmann, Groß Gievitz




Historische Wahrheit nicht verschweigen

Es wird in der Presse immer wieder die Besetzung der Krim durch Putin als rechtmäßig dargestellt. Tatsächlich war die Krim jahrhundertelang in einem selbständigen Khanat von den Krimtataren besiedelt und wurde erst 1783 von Rußland okkupiert. Weil die Krimtataren angeblich mit den deutschen Truppen sympathisierten, wurden sie 1944/45 brutal und unter hohen Menschenverlusten nach Sibirien deportiert. Selbst Jahrzehnte später durften sie nicht mehr in ihre alten Siedlungsgebiete zurückkommen.

Helmuth Scheiner, Bietigheim-Bissingen




Unter der Knute, die alle Feiheiten zerstört

Im Leitartikel erhebt Bruno Bandulet jetzt erneut die Forderung, die Revolution des Maidan gegen einen korrupten, moskauhörigen Präsidenten samt diktatorischem Regime („Staatsstreich“) solle rückgängig gemacht werden und das Land sich wieder unter die russische Knute beugen. Durch das „Zerreißen der engen wirtschaftlichen Verbindungen mit Rußland“ sei die Ukraine verarmt. Das Gegenteil ist wahr. Die Ukraine will nach Westen und nicht an das wirtschaftlich, gesellschaftlich und geistig marode, diktatorisch regierte Rußland gebunden bleiben. Das Assoziierungsabkommen mit der EU war ein erster Anfang. Fast die Hälfte des Außenhandels läuft jetzt mit der EU. Das Volk hat alles Recht, das zu tun. Es macht für die Ukrainer keinen Sinn, unter der Knute einer Regierung zu leben, die alle Freiheiten zerstört hat, Oppositionelle wie Nawalny vergiftet oder wie Politowskaja und Nemzow erschossen hat und der Opposition abermals mit dem Gulag droht. „Verarmt“ ist das Land durch den von Rußland angezettelten Krieg in der Ostukraine, die völkerrechtswidrige, gegen den Budapester Vertrag von 1994 verstoßende Annexion der Krim und die neuerdings mit über 150.000 Mann angedrohte Invasion. 

Nicht die Ukraine hat den Draht nach Rußland zerrissen, sondern Rußland, dessen Regierung sich weigert, mit Kiew zu sprechen, weil sie der unmaßgeblichen Meinung ist, die Ukraine gehöre zu Rußland. Die Ukraine will in die EU und die Nato. Daran wird sie rechtens niemand hindern können.

Dipl.-Kfm. Klaus Holtermann, Ludwigsburg




Einmischung des Westens in der Ukraine

Wenn, wie in dieser durchaus sachlichen Lagedarstellung der russische Präsident Putin als skrupelloser Machtpolitiker bezeichnet wird, so wäre es der Ausgewogenheit wegen erforderlich, die skrupellose Außenpolitik der USA in Sachen Ukraine zu nennen. Wie aus dem zitierten Artikel aus Foreign Affairs hervorgeht und der Tatsachen beschreibt, die dem Interessierten schon lange bekannt sein dürften, haben die Machtpolitiker in Washington D.C. durch den von ihnen herbeigeführten „Regime Change“ das Unglück der Ukraine erst herbeigeführt, was von unseren Leitmedien weitestgehend ignoriert wird. Es wäre angemessen gewesen, dies im Beitrag ebenfalls anzusprechen.

Klaus Wiedmann, Plön




Ukraine nicht mit Baltikum zu vergleichen

Bestätigt wird dieser Leitartikel durch Sachverhalte der älteren und neueren Geschichte Osteuropas. Bei den Vorgesprächen zu den Ostverträgen 1970 verhielten sich der damalige Bundeskanzler Brandt und Außenminister Scheel geradezu unterwürfig gegenüber Breschnew, dagegen forderte bereits in den achtziger Jahren der Europa-Abgeordnete Otto von Habsburg nicht nur die Wiedervereinigung Deutschlands, sondern auch die Dekolonisierung Mittel- und Osteuropas einschließlich des Baltikums, was ihm heftige Angriffe deutscher (!) SPD-Politiker einbrachte. Tatsächlich sehnten sich die Völker des Baltikums nach Freiheit und Unabhängigkeit, was in der Singenden Revolution von Vilnius bis Tallinn zum Ausdruck kam – und verständlicherweise traten deren Länder zwischen 1991 und 2015 nicht nur der EU und dem Euro-Raum, sondern auch der Nato bei, was der EU und den USA nur recht sein konnte. Unter russische Oberherrschaft waren die Länder des Baltikums erst im ausgehenden 18. Jahrhunderts geraten, in der Zwischenkriegszeit waren ihnen zwei Jahrzehnte Unabhängigkeit beschieden. 

Anders die Ukraine mit dem unterschwelligen Panslawismus: Im Gegensatz zu den Völkern des Baltikums war das Schicksal der Ukraine mit jenem Rußlands seit der Christianisierung im Jahr 988 eng verknüpft. Die Ukraine ist im Osten von Russen, im Zentrum und Westen, besonders Ostgalizien, von ebenfalls ostslawischen, aber teilweise auch katholisch-orthodoxen Ukrainern bewohnt.

Dr. Wolfram Euler, München






Zum Schwerpunktthema: „Das Maß ist voll!“, JF 9/22

Auf die Straße, schließt euch an

Haben Sie vielen Dank für dieses Super-Interview mit Peter Hahne! Nicht zuletzt sein Buch „Die Macht der Manipulation“ hat einen wesentlichen Teil dazu beigetragen, daß ich die Corona-Politik bereits nach drei Tagen durchschaut habe. Ja, Herr Hahne, wir gehen auf die Straße und wir werden nicht ruhen, bis die Verantwortlichen für ihre menschenverachtende Politik zur Rechenschaft gezogen werden!

Alexander Reinisch, Bochum






Zu: „Nützliche Idioten“ von Dieter Stein, JF 8/22

Fehlende politische Neutralität

Der Feststellung, wonach der Antifaschismus die Mitte der Gesellschaft erreicht hat, ist zuzustimmen. Wie bei einer Mischung aus politischem Modediktat und ideologischer Ersatzreligion will jeder dazugehören. Sogar in einer Provinzstadt wie Speyer ist es für die meisten Kommunalpolitiker, von Die Linke bis zur CDU, selbstverständlich, in der Pose überlegener Selbstgerechtigkeit eine antifaschistische Haltung zu kultivieren. So geschehen in der Ratssitzung vom Mai 2021, als sich die Speyerer Oberbürgermeisterin auf Anfrage zum Antifaschismus bekannte, dabei gleichzeitig die gesamte SPD-Ratsfraktion einschließend. Zwei weitere Damen des Stadtvorstandes, eine Bürgermeisterin (CDU) und Beigeordnete (Grüne), stimmten pflichtschuldig zu und erklärten gleichfalls fürs Protokoll, daß sie Antifaschistinnen seien. Keiner kam es in den Sinn, die einzig richtige Antwort zu geben, nämlich daß sie sich einzig und allein dem Grundgesetz verpflichtet fühlen. Diese Haltung des Stadtvorstandes, welche schwerlich mit politischer Neutralität und echter demokratischer, rechtsstaatlicher Gesinnung in Einklang zu bringen ist, findet natürlich ihre Entsprechung in der Stadtpolitik. So wurden im Dezember 2021, per Allgemeinverfügung, unter Androhung drakonischer Ordnungsstrafen, die Montagsspaziergänge der Impfkritiker verboten, während die Vertreter der sogenannten zivilgesellschaftlichen Bündnisse, bestehend aus DGB, Antifa und lokalen Linksaktivisten, eine Demonstration abhalten durften, bei der lauthals gegen Querdenker, AfD und Coronaleugner gehetzt wurde. Außerdem werden im Internet politische Schriften angeboten, für die der Stadtvorstand laut Impressum verantwortlich ist und auf denen die Antifa als Mitherausgeber auftaucht.

Matthias Schneider, Speyer




Der antifaschistische Schutzwall

Der Beitrag bringt die Krux mit dem Antifaschismus in der Bundesrepublik auf den Punkt. Nachdem der „antifaschistische Schutzwall“ durchbrochen worden ist, geht der Kampf erst richtig los. Mit dem „Kampf gegen Rechts“ und dem „Aufstand der Anständigen“ wurde die Richtung vorgegeben: Die Westdeutschen stehen unter Generalverdacht, demokratische Rechte und Konservative geraten ins Visier.

Marieluise Fieger-Besdziek, Riegel






Zu: „Ein Rebell und Abenteurer“, im Gespräch mit Ulli Kulke, JF 7/22

Rückendeckung durch Wecker und Orwell

Der Interviewte kritisiert die „anrüchige Wortwahl“ mancher AfD-Politiker, die es zunehmend schwerer mache, die AfD zu verteidigen. Tatsächlich haben die mitteldeutschen Verbände der AfD ja eine noch viel anrüchigere Wortwahl als die westdeutschen Verbände und zugleich eine zwei- bis dreimal so große Resonanz wie die westdeutschen, in Kulkes Wohnort Berlin sind es acht Prozent. So frage ich mich als aufgeweckter taz-Erstleser, woher diese Angst bei Ulli Kulke rührt. Wir – Ex-Genosse Kulke – hatten jedenfalls in den 80er Jahren der alten Bundesrepublik keinerlei Angst vor einer anrüchigen Wortwahl, wir folgten dem Spruch von Konstantin Wecker: „Freiheit, des hoaßt koa Angst haben vor nix und neamands“, aus dem Wecker-Lied „Gestern habns an Willy daschlogn“. Wecker hat sich an das Lied 2016 erinnert, er schrieb: „Als Freiheit noch ein Begriff war“ – wie übrigens bereits bei George Orwell, der 1945 sagte: „Wenn Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann vor allem das Recht, anderen Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen.“

Dr. Robert Lederer, Weimar




Noch immer völlig grün hinter den Ohren

Leider begründet Ulli Kulke seine Meinung nicht, daß sich die Grünen vom Saulus zum Paulus gewandelt haben. Ich finde in den Programmen und in den Äußerungen führender Parteimitglieder der Grünen – wenn auch etwas schöngefärbt – immer noch die alte Radikalität, daß Staat und Gesellschaft völlig nach grüner Ideologie umgeformt werden sollen ohne Rücksicht auf Verluste.

Günther Kopsch, Montzen/Belgien






Zu: „Zwei Kesselschlachten weckten falsche Hoffnungen“ von Alexander Graf, JF 7/22

Brief von der Ostfront im Januar 1943

Hierzu eine kleine Randnotiz, die das Thema Ihres Artikels illustriert: Im Januar 1943 schrieb mein Vater in einem Brief von der Ostfront, schon im Vorjahr habe es geheißen: „Kesselt nicht, auf daß ihr nicht gekesselt werdet.“

Ernst S. von Heydebrand, Vallendar