© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/22 / 11. März 2022

Ländersache: Nordrhein-Westfalen
Hängepartie in Köln
Christian Vollradt

Kölns Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woel-ki ist nach fünf Monaten in sein Bistum zurückgekehrt – aber doch nicht so ganz. Denn der prominente Purpurträger hat dem Papst seinen Rücktritt angeboten. Anders als Politiker können katholische Bischöfe nicht einfach von sich aus zurücktreten. Sie müssen in solch einem Fall der höheren Instanz, von der sie ihr Amt verliehen bekommen haben, einen Verzicht darauf anbieten.Ab dem Zeitpunkt des Verzichtangebots läuft eine Frist von drei Monaten, in der über den Amtsverzicht entschieden werden müsse, erläuterte der Freiburger Kirchenrechtler Georg Bier gegenüber dem Portal T-Online. Verstreiche diese Frist, verliere Woelkis Angebot seine Rechtskraft. 

Im Oktober vergangenen Jahres hatte der Kölner Oberhirte in Absprache mit dem Papst eine „geistliche Auszeit“ genommen. Anlaß war die durch Mißbrauchsfälle aus der Vergangenheit entstandene Vertrauenskrise. Ein Gutachten hatte Woelki entlastet, in den Augen vieler Laienfunktionäre allerdings nur juristisch und nicht moralisch. Dahinter steckt offensichtlich ein weiterreichender Konflikt. Denn der theologisch konservative Erzbischof gilt als entschiedener Kritiker der Reformvorschläge von Gruppierungen wie „Maria 2.0“, die über den „Synodalen Weg“ die Frauenweihe, das Ende des Pflichtzölibats und eine neue Sexualmoral in der Kirche implementieren wollen.

Bei der Rückkehr in sein Bistum hatte Woelki sich in einem persönlich gehaltenen Hirtenbrief an die Gläubigen gewandt. Darin schreibt er von „Unverständnis, Mißtrauen bis hin zur Ablehnung“ gegenüber seiner Person. Auch er trage „für diese Situation Verantwortung“, er wisse um „ungenügenden Umgang damit, um Fehlverhalten von Verantwortlichen insgesamt“, und er kehre „nicht unverändert einfach so zurück“. In der nächsten Zeit wolle er vor allem zuhören: „Ihrer Enttäuschung, Ihrem Ärger, Ihren Vorwürfen genauso wie Ihren Erwartungen, Wünschen, Ihrem Zuspruch und Ihren guten Ideen.“ Schließlich äußerte der Kardinal die Hoffnung, „daß Sie mir, nein, uns noch eine Chance geben“. 

Als Vertreter der Laien in der Erzdiözese Köln nannte der Vorsitzende des Diözesanrats, Tim Kurzbach, Woelkis Hirtenbrief „unzureichend“. Der Kardinal habe darin „kein einziges konkretes eigenes Versagen, keinen einzigen konkreten eigenen Fehler, keine einzige wirkliche Schuld“ bekannt. Laut Kurzbach, im Hauptberuf sozialdemokratischer Oberbürgermeister von Solingen, hätte Woelki seine „Schuld ohne Wenn und Aber“ bekennen und dann um Verzeihung bitten müssen.

Unterdessen sind in Köln offenbar so viele Katholiken wie nie zuvor aus der Kirche ausgetreten. Wie die FAZ unter Berufung auf Zahlen des Amtsgerichts Köln berichtet, habe man 2021 insgesamt 19.340 Austritte verzeichnet, zwei Jahre zuvor waren es 10.073. In Bonn hätten sich die Austrittszahlen sogar verdoppelt.

Nun schwebe über dem Erzbischof das Damoklesschwert eines noch nicht angenommenen Rücktrittsgesuchs, kritisierte die katholische Tagespost. Der Vatikan habe Woelki weder demonstrativ den Rücken gestärkt noch ihm eine andere Aufgabe zugewiesen. Diese Hängepartie sei ein „Schrecken ohne Ende“.