© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/22 / 11. März 2022

„Wir brauchen Wärmepumpen statt Waffen“
Energiewende: Politik und radikale Klimaaktivisten wie „Ende Gelände“ schwärmen von alternativen Heizkonzepten / Teuer und nichts für Städte
Marc Schmidt

Selbst die Klimapaniker von „Ende Gelände“ stehen nun „solidarisch an der Seite der demokratischen Zivilgesellschaft in der Ukraine“. Doch statt in die Aufrüstung der Bundeswehr „sollten Milliarden in eine radikale Wärme- und Energiewende investiert werden. Ein sofortiger Ausstieg aus Öl, Kohle und Gas verhindert das weitere Auffüllen von Kriegskassen“, erklärte „Ende Gelände“-Sprecherin Elia Nejem. „Wir brauchen Wärmepumpen statt Waffen“, so die Teilnehmerin des von der deutschen Botschaft in Washington gesponserten „Transatlantic Forum for Environmental and Climate Justice“ von November 2021.

Daß „fossiles Gas aus Katar“ keine bessere Antwort sei und „Fracking-Gas aus den USA oder Argentinien“ sogar „Vertreibung, Tod und Zerstörung“ bringen und deshalb keine Flüssiggas-Terminals gebaut werden dürften, hören die Ampelkoalitionäre und die Union auch nicht gern. Aber ans kommende Heil durch Wärmepumpen glauben auch sie. Bereits der Regierungswechsel und der Zwang, ab 2025 nur noch Heizungsanlagen zu verbauen, die mindestens 65 Prozent Ökoenergie verbrauchen, bescherte Wärmepumpenherstellern wie Buderus, Junkers, Stiebel Eltron, Vaillant & Co. einen Auftragsboom und lange Lieferzeiten.

Hausbesitzer wollen nun geplante Austauschprojekte vorziehen, um neben der 40prozentigen Übernahme der Gesamtkosten durch den Steuerzahler auch vor den steigenden Gaspreisen zu fliehen. Für Wirtschaftsminister Robert Habeck sind Wärmepumpen sogar ein wichtiges Instrument, um mit weniger Putin-Gas den Winter 2022/23 zu überstehen. Seine „Ad-hoc-Projektgruppe Gasreduktion“ fordert eine Aufstockung der Fördermittel für Wärmepumpen von 1,5 auf 11,5 Milliarden Euro. Diese Pläne bedeuten eine weitere Umverteilung der Steuereinnahmen von Mietern zugunsten von Wohnungsgesellschaften, Vermietern und Hausbesitzern.

Gibt es im Winter genug Strom für Millionen von neuen Heizgeräten?

Allerdings hatte bereits das letzte Kabinett von Angela Merkel 2019 Planungen vorgelegt, die auf einen weitgehenden Ersatz von Ölheizungen durch Wärmepumpen abzielten und bei vollständiger Nutzung der 40prozentigen Kostenerstattung durch alle Ölheizungsbesitzer – bei 25.000 Euro durchschnittlichen Kosten – mehr als 80 Milliarden Euro Fördergelder erfordert hätten. Wobei sich die Kosten für die Hausbesitzer wie die fördernden Steuerzahler durch den notwendigen Ausbau der dezentralen Stromspeicher in den Häusern erhöht hätten. Wärmepumpensysteme sind im Prinzip ein umgekehrter Kühlschrank: Der Umwelt wird Energie entzogen, die die Wärmepumpe nutzbar macht und über das Heizungs-Warmwasser-System im Haus verteilt oder speichert. Technisch problematisch ist vor allem die Gewinnung der Wärmeenergie. Mit der Temperatur der Luft, des Bodens oder des Grundwassers wird ein Wasserkreislauf erwärmt. Diese Wärme bringt ein Kältemittel in einem separaten Kreislauf zum Verdampfen. Der Dampf wird mit Druck komprimiert, was ihn weiter erwärmt und kondensieren läßt. Das sich dabei wieder verflüssigende Kältemittel gibt Wärme ab, die zum Heizen genutzt wird.

Ineffizienzen ergeben sich nicht nur an den verschiedenen Wärmetauschstellen. Sie bestehen vor allem bei der Gewinnung der Umweltwärme. Gerade in verdichteten Räumen wie Städten ist es meist nur bei Neubauten oder Häusern mit Garten möglich, Systeme zur Wärmegewinnung aus Grundwasser oder dem Boden mit ihrem hohen Flächenbedarf zu installieren. Systeme, die nur die Lufttemperatur nutzen, haben bei niedrigen Außentemperaturen Schwierigkeiten. Die notwendige Einsaugung der Luft über eine Turbine bringt eine schlechte Effizienz, eine hohe mechanische Anfälligkeit und verursacht eine hohe Lärmbelästigung für die Hausbewohner.

Solche Systeme sind selten in der Lage, den Bedarf an Heizung und Warmwasser wirklich ausreichend zu decken. Das Wärmepumpensystem muß also mit einer anderen herkömmlichen Heizform („hybrid“ mit Gas, Öl, Solar, Strom) aufwendig kombiniert werden. Nahezu unmöglich wird in diesem Zusammenhang die Verteilung auf Mietwohnungen und Etagen. Während Energieverbräuche über separate Zähler abgerechnet werden, wird für Wärmepumpen nicht für jede Wohnung ein System installiert. Gleichwohl muß die produzierte Wärme im Heizkreislauf verteilt werden, was gerade für private Vermieter eine weitere Problematik darstellt. Und gibt es im Winter überhaupt genug Strom für die Millionen Geräte?

Alle diese realen Probleme kümmern die Verfechter deutscher Sonderwege wie der „Wärmewende“ nicht. Regierungspolitiker setzen auf weitere staatliche Vorgaben für den Wohnungsbau und auf Umverteilungen. Die sie unterstützenden Medien propagieren plötzlich die  angebliche Verzichtsbereitschaft der Deutschen. Einer Umfrage der ARD-„Tagesschau“ zufolge wären angeblich zwei Drittel der Bevölkerung bereit, auf Licht und Wärme zu verzichten, falls Rußland künftig sanktionsbedingt kein Gas mehr liefern darf oder will. Ob das angesichts der Preisexplosion für Benzin, Diesel, Gas und Strom stimmt und ob das auch für „soziale Brennpunkte“ gilt, dürfte sich bald zeigen.