© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/22 / 11. März 2022

Filmkritik Wie eine Träne im Ozean
Schicksale im Weltbürgerkrieg
Werner Olles

Kurz vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 in Deutschland führt die KPD auf Geheiß der Kommunistischen Internationale ihren Hauptkampf gegen den „Sozialfaschismus“ der SPD. An der Richtigkeit dieses Kurses melden sich bei dem „Chefideologen“ Denis Faber (Günter Mack) jedoch erste Zweifel. Die gemeinsamen Aktionen von SA und KPD beim Berliner Verkehrsstreik sieht er kritisch, ist aber nicht bereit, sich von den Dogmen der Partei zu lösen. Bei einer politischen Aktion wird er verletzt und findet Unterschlupf bei seinem Kompaniechef aus dem Ersten Weltkrieg, einem Nationalbolschewisten. Wenig später dann wird Faber von der SA verhaftet, aber als Österreicher durch die Vermittlung des nationalsozialistischen Sohnes seines alten Wiener Professors abgeschoben. 

Der junge KPD-Funktionär Josmar Goeben (Martin Lüttge) versucht kurz vor dem Anschluß Österreichs in Wien, wo ein Bürgerkrieg zwischen der Heimwehr des nationalkonservativen Bundeskanzlers Dollfuß und den sozialistischen Arbeitern tobt, eine Gestapo-Liste in die Hände zu bekommen, auf der die Namen führender Kommunisten verzeichnet sind, die nach dem „Anschluß“ festgenommen werden sollen. Es gelingt ihm, an die Liste zu kommen und sich die Namen einzuprägen, fällt dann jedoch einem Schußwechsel zum Opfer. In Paris diskutiert der treue Ketzer Faber mit seinem alten Professor, der ihn überzeugt, daß sein Engagement für den Kommunismus sinnlos war und Gestapo und GPU gleichermaßen Institutionen eines Glaubens ohne Gott waren.

Fritz Umgelters TV-Dreiteiler „Wie eine Träne im Ozean“ (1970) nach der gleichnamigen Romantrilogie von Manès Sperber (1905–1984), der als KPD-Funktionär 1937 unter dem Eindruck der Moskauer Schauprozesse zum Renegaten wurde, ist auch nach 50 Jahren ein spannendes Politdrama. Zwar sind nur drei Episoden aus der Trilogie in den Film eingeflossen, doch es gelang Umgelter („So weit die Füße tragen“), ein atmosphärisch präzises und fesselndes Stück deutscher Geschichte zu inszenieren. Sperber, der gemeinsam mit Arthur Koestler 1950 in Berlin den CIA-finanzierten „Kongreß für kulturelle Freiheit“ gründete, beendet eine Lesung, die als Bonus auf der DVD enthalten ist, mit dem Satz: „Die Hoffnung ist so alt wie die Trauer und so jung wie die Morgendämmerung.“

DVD: Wie eine Träne im Ozean. Pidax Film 2021, Laufzeit etwa 335 Minuten