© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/22 / 11. März 2022

Blick in die Medien
1942 auf Instagram
Tobias Dahlbrügge

Es ist vorbei: Die umstrittene Instagram-Serie „Ich bin Sophie Scholl“ von Bayerischem Rundfunk und dem SWR ist nach knapp einem Jahr zu Ende. Die Idee zur Instastory mit dem Untertitel „Stell dir vor, es ist 1942 auf Instagram“, kann jeder sehr unterschiedlich  bewerten. Das Ergebnis überzeugt allerdings wenig. Dabei erzählen die erreichten Zahlen schon eine Erfolgsgeschichte: rund 400 Posts, 770.000 Follower und Hunderte von Kommentaren unter jedem Beitrag.

Selbst Regierungsclown Jan Böhmermann kritisierte den laxen Umgang mit historischen Fakten.

Jedoch: Zielgruppe waren junge Frauen zwischen 18 und 24 Jahren. Die wurden aber nur zu einem geringen Teil erreicht, die große Mehrheit der Nutzer war Mitte zwanzig bis Mitte dreißig und älter. Selbst Regierungsclown Jan Böhmermann kritisierte den laxen Umgang mit historischen Fakten und die Vermischung von Realität und Fiktion. Dabei arbeitete im Hintergrund ein Team ehrenamtlicher „Faktenchecker“ – doch deren Qualität ist ja durch das berüchtigte „Correctiv“ hinlänglich bekannt … Außerdem war die Redaktion zusätzlich damit beschäftigt, „geschichtsrevisionistische“, tatsächlich oder vermeintlich antisemitische oder sonstwie unerwünschte (zum Beispiel „ableistische“) Kommentare zu zensieren.

Redaktionsleiter Ulrich Herrmann vom SWR verteidigte die teils bizarren Postings (wie Bettgeschichten von „Sophie Scholl“) im Spiegel-Gespräch: Er sehe kein Problem in der Emotionalisierung und Fiktionalisierung. Für ihn stehe die Community-Interaktion im Zentrum. Mit der erwünschten aktiven Beteiligung der Nutzer zur Beibringung historischer Informationen war es dann aber nicht weit her. Abgesehen davon, daß Nutzerinnen Tränen-Emojis sendeten oder Scholl in einer Abstimmung von Flugblattaktionen abrieten („Viel zu gefährlich!“).

Besonders viel Prügel bezog das Projekt für die verunglückte Art, den Holocaust sozusagen nebenbei zu thematisieren, etwa in Briefen, die „Sophie“ erhält. In einem hat Böhmermann absolut recht: „Der Instagram-Account von Sophie Scholl erzählt mehr über Deutschland 2022 als über Deutschland 1942.“