© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/22 / 11. März 2022

Ungarn und Polen – die mitteleuropäischen „Demokraturen“
Neue Doppelstaaten in Sicht
(ob)

Wenn unabhängige Gerichte durch „Loyalisten“ der Regierungspartei „übernommen, beeinflußt oder kontrolliert werden“, kann die Justiz als „Instrument der demokratischen Erosion“ dienen, ohne daß ein Buchstabe der Verfassung geändert werden müßte. In eine ähnliche Richtung läuft es, wenn „Parteien oder oligarchische Akteure“ Verfassungsorgane in jeglicher Gestalt „vereinnahmen“. Freie Wahlen sind in einem solchen System zwar durchaus noch möglich, seien allerdings als „unfair“ zu bewerten, da „eine Partei die Massenmedien kontrolliert und sie zur Staatspropaganda nutzt“. Selbst hier wird noch nicht deutlich, daß die Politologen Pawel Karolewski (Leipzig) und Claus Leggewie (Gießen) gar nicht die Zustände in der Bundesrepublik mit regierungsfrommen Staatsmedien und der Installation von Parteisoldaten in höchsten Gerichten meinen (Merkur 2/2022). Tatsächlich ist ihr vom Emigranten Ernst Fraenkel übernommenes, von ihm 1940 auf die NS-Diktatur gemünztes Modell vom „Doppelstaat“ aber durchaus geeignet, um aktuelle gegenwärtige postdemokratische Entwicklungen zu verstehen. Karolewski und Leggewie wenden es hingegen lieber auf Ungarn und Polen an, um diese Demokratien mit dem NS-Doppelstaat zwar nicht gleichzusetzen, aber sie als mit ihm verwandte „Demokraturen“ zu erkennen. 


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