© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/22 / 11. März 2022

Frisch gepreßt

Über die Ketzerei. Eine falsche Meinung zu haben, ist an sich kein Verbrechen, stellt einer der Disputanten in Thomas Hobbes’ Dialog über die Häresie fest. „An sich“ nicht, aber in Zeiten des religiös aufgeladenen Bürgerkrieges, wie sie einer der „wichtigsten Staatsphilosophen der abendländischen Geistesgeschichte“ im England des 17. Jahrhunderts durchlebte, riskierte leicht Leib und Leben, wer eine „falsche Meinung“ äußerte. Daß solche Zustände nie wiederkehren würden, daran glaubte der 1991 verstorbene Hobbes-Experte Bernard Willms nicht. Die sich in westlichen Gesellschaften heute rasant ausbreitenden, sie mit ihrem Gift zersetzenden Ersatzreligionen Multikulturalismus und Genderismus bestätigen denn auch seine Auffassung, daß der englische Bürgerkrieg eine „Fülle von Anschauungsmaterial für immer noch aktuelle Probleme“ bereithalte. Denn der orgiastische Fanatismus, mit dem einst militante Puritaner die Heiligkeit des Sonntags durchzusetzen versuchten, indem sie private Feiern sprengten oder auf Musikanten einschlugen, ist in Großbritannien längst zurück. Eingezogen mit dem entfesseltem Transgender-Mob, der am biologischen Geschlecht festhaltende „Ketzerinnen“ wie die Philosophin Kathleen Stock und die Harry-Potter-Erfinderin Joanne K. Rowling mit dem Tod bedroht. Insoweit tragen die von Peter Weiß erstmals ins Deutsche übersetzten, bislang wenig beachteten Hobbes-Texte „Über die Ketzerei“, über deren historischen Kontext Peter Kampits’ kluges Nachwort unterrichtet, zur Erkenntnis der Lage bei. (wm)

Thomas Hobbes: Über die Ketzerei und deren Bestrafung. Karolinger Verlag, Wien 2021, broschiert, 67 Seiten, 18 Euro





Lebensunfähig. Der Psychologe und Unternehmensberater Rüdiger Maas nimmt die jüngste Generation in den Blick, die zunehmend Merkmale einer rapiden Wohlstandsverwahrlosung aufweist. Auch im bildungsnahen Milieu kommt es trotz aller Rundumbetüdelung mit vielen Förderungen in sportlicher, musischer oder intellektueller Hinsicht seit frühesten Kindertagen oft zu Fehlentwicklungen wie einer auffälligen Unselbstständigkeit oder sogar zu psychischen Störungen bei den Heranwachsenden. In Corona-Zeiten führte das sogar dazu, daß laut Unicef-Studie jedes vierte Kind in Deutschland unglücklich ist. Die empathielose Überforderung der Erzieher in Heim und Schule, verstärkt durch das digitale Dauerfeuer des Smartphones in der Freizeit, hinterläßt immer häufiger unreife Charaktere und Sozialzombies mit „enormem Suchtpotential“. Den scharfen Winden in der Erwachsenenwelt halten diese verkorksten Vertreter der Generation Y natürlich kaum stand. (bä)

Rüdiger Maas: Generation lebensunfähig. Yes Publishing, München 2001, gebunden, 224 Seiten, 19,99 Euro