© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/22 / 11. März 2022

Leserbriefe

Zum Schwerpunktthema: „Der Krieg ist zurück“, JF 10/22

Minsk wäre die Lösung gewesen

Wenn man einmal alle verständlichen Emotionen beiseite läßt, um nach denkbaren Lösungen zu suchen, die nur in einem Interessenausgleich der Großmächte liegen können, kann man Prof. Martin Wagener nur zustimmen. Beim Studium der 13 Punkte des Minsker Abkommens entspricht dieses fast genau Wageners Vorschlägen. Die Ukraine hätte also diesen einzig möglichen Weg schon vor 7 Jahren und ohne Krieg haben können. Statt dessen wurde alles getan, um das Land mit entsprechenden Verfassungsänderungen (Definition zukünftiger Weg zum Beitritt in EU und Nato, ausländischer Staat darf Nuklearwaffen stationieren), Aufrüstung mit westlichen Waffen, Beratern, Ausbildern usw. „auf den Weg“ zu bringen. Den Reden und Forderungen des ukrainischen Präsidenten zufolge nimmt er dabei einen europäischen Krieg in Kauf – mit den enormen bekannten Gefahren. Darin kann doch wohl nicht die Konfliktlösung liegen – sondern nur im Ausgleich geopolitischer Interessen: Was glaubt er – allen Patriotismus in Ehren – wie die heutige Welt funktioniert?

Lothar Steinhäuser, Greifswald




Erfreulich klare Haltung

Für die sehr informative und differenzierte, dennoch sich eindeutig positionierende Berichterstattung der JF zum Ukrainekrieg, ich nenne die Beiträge von Martin Wagener, Thomas Fasbender und namentlich Dieter Stein, möchte ich mich bedanken. Man wird Prof. Wagener wahrscheinlich zustimmen müssen, daß im Umgang mit Rußland gravierende Fehler begangen worden sind; gleichwohl darf in der nun entstandenen Situation die Sympathie, der Respekt und die Bewunderung jedes seinem eigenen Vaterland verbundenen Menschen nur den ukrainischen Verteidigern ihrer Heimat gehören, die Putins Mär, ein Brudervolk von „faschistischen“ Zwingherren zu befreien, jetzt bereits gründlich desavouiert haben. 

Ich bin entsetzt, auf rechten Internetforen, darunter auch JF-online, immer wieder auf Rechtfertigungen des russischen Angriffs, verbunden mit blindem Antiamerikanismus und Abscheu vor einer befürchteten neuen Flüchtlingswelle zu stoßen, letzteres im willentlichen Ignorieren des kategorialen Unterschieds, ob wir unsere Grenzen für Hunderttausende junge arabische Männer öffnen oder für schutzsuchende Frauen und Kinder, deren Männer zu Hause bleiben und kämpfen. Mir scheint derzeit in der „rechten“ Szene eine bisher eher latente, nur gelegentlich erkennbare Kluft aufzubrechen zwischen einem deutschen und christlich-abendländischen Traditionen verpflichteten Patriotismus und einem ordinären, sich realpolitisch maskierenden engherzigen, ja zynischen Wohlstandschauvinismus. Erfreulich, daß die JF hier eine klare Haltung zeigt.

Dr. Karl-Heinz Wegener, Bergheim




Putin legitimiert Nato-Beitritte im Osten

Nach der Anerkennung der beiden Ostprovinzen in seiner Rede vom 21. Februar hätte Putin aus meiner Sicht eine gute Verhandlungsposition gehabt. Sollte nämlich Kiew diese abtrünnigen Provinzen zu stark bedrängen, reichte ein „Hilferuf“ , um die russischen Truppen in Marsch zu setzen. Als er dann am Donnerstag selber den Einmarsch begann, hat er sich als Angreifer vor aller Welt ins Unrecht gesetzt. Hat man bislang noch die Nato-Osterweiterung kritisiert, werden heute die neuen Beitrittsländer froh sein, beigetreten zu sein. Die Legitimation dazu hat Putin durch seinen Krieg selber geliefert. Was die Nato selbst nicht schaffte, hat Putin geschafft. Die Nato ist geschlossen wie lange nicht mehr.

Detlef Moll, Nümbrecht




Vom Terroristen zum Nato-Partner

Bei jeder Ukraine-Nachricht sollte man die Parallele mit der desaströsen humanitären Bombardierung im Kosovo-Krieg vor Augen haben. Der Westen (Nato) unterstützte damals die „albanische Kosovo-Armee“, die er zuvor als „terroristisch“ einstufte.

Dr. Antonín Kucera, Taunusstein




Doppelte Moral bei den Putin-Verstehern

In jüngster Zeit in Artikeln Ihrer Zeitung, besonders im Leitartikel Bruno Bandulets („Den bittersten Preis zahlt Kiew“, JF 8/22), wird öfters das Argument gebracht, die USA würden an ihrer Grenze auch keinen zum Beispiel chinesischen Militärpakt mit Kanada dulden. Das ist wohl wahr. Aber sind diese Fälle wirklich vergleichbar? Im Fall der Ukraine fühlt ein imperialistischer, diktatorischer Staat (Rußland) sich angeblich von einem Verteidigungsbündnis fast ausschließlich demokratischer Staaten bedroht (der Nato), die außerdem auch gar nicht das Bestreben haben, die Ukraine in dieses Bündnis einzugliedern. Im Falle Kanadas würde ein diktatorischer, kommunistischer Staat wie China, womöglich seine Atombomben an der Grenze der demokratischen USA in Stellung bringen. Diesen Aspekt – demokratisch/undemokratisch – außer acht zu lassen, wäre meiner Meinung nach ein weiterer Sargnagel für die westlichen Demokratien. „Mit zweierlei Maß messen“, sagen viele Rußlandversteher oft an dieser Stelle. Sie sollten sich mal an die eigene Nase fassen. Wer autonomen Staaten wie der Ukraine das Recht abspricht, über ihre Bündnisse selbst zu entscheiden, erkennt automatisch an, daß es Staaten gibt, die souveräner sind, mehr Rechte besitzen, gleicher sind als andere, selbst wenn dies Diktaturen sind. Das mag Realpolitik sein, aber Doppelmoral ist es dennoch.

Nikolaus Asshauer, Much






Zu: „Selbstverschuldet in der Defensive“ von Christian Vollradt, JF 10/22

Ziemlich falsche Freunde

Warum eine Oppositionspartei wie die AfD, die sich ständig über eigene Benachteiligungen beklagt, mit Putin, in dessen Machtbereich Giftanschläge auf Oppositionelle verübt werden, bevor sie dann jahrelang in Arbeitslager gesteckt werden, gute Beziehungen pflegen möchte, bleibt mir ein Rätsel. 

Sicherlich ist die Ukraine kein Hort politischer Stabilität. Die häufigen Regierungswechsel dort zeigen aber auch, daß es in diesem Land eine echte Demokratie gibt, mit Meinungsfreiheit und tatsächlichen Wahlen. Wenn die AfD freiheitsliebende Patrioten sucht, findet sie diese in Kiew. 

Natürlich darf man aber trotzdem an der Wirksamkeit von wirtschaftlichen Sanktionen gegen Rußland zweifeln – mit Kuba versuchen das die USA seit 1959 ziemlich erfolglos, und auch mit Nordkorea funktioniert das nicht unbedingt. Diktaturen lassen sich offenbar schwer aushungern.

Dr. Jürgen Ptucha, Gotha




Ein völkerrechtswidriger Angriff

Der Kommentar trifft ins Schwarze. Nach dem völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine hätte die AfD unmißverständlich diesen brutalen Krieg Putins verurteilen müssen. Tino Chrupalla säuselte von der deutsch-russischen Freundschaft, von Gorbatschow, und erwähnte mit keinem Wort die Leiden der ukrainischen Zivilbevölkerung. Zwar hatten die Fraktionschefs Weidel und Chrupalla in einer ersten Pressemitteilung am 24. Februar, dem Tag von Putins Angriff, den Krieg „durch nichts gerechtfertigt“ genannt und die sofortige Einstellung der Kämpfe gefordert. Aber schon in den folgenden Sätzen begann wieder das Relativieren, und sie sprachen sogar weiter vom „Partner Rußland“, dem man „glaubwürdige Angebote“ machen müsse. Dem skrupellosen Aggressor soll man Angebote machen? Putin ist ein brutaler Despot, wie kann man ihn noch als „Partner“ bezeichnen? Die Umfragewerte der AfD sind gesunken. Sie muß unmißverständlich klarmachen, daß sie für den Kremlchef und seine Spießgesellen null Sympathien hat. Sonst werden sich viele Wähler abwenden.

Dr. Peter Müller, München






Zu: „Wem die Stunde schlägt“ von Konstantin Fechter, JF 10/22

Ziemlich falsche Freunde 

Konstantin Fechter weist in seinen brillanten Ausführungen zu Recht auf die in der Ukraine und wohl auch in Rußland verbreitete Historiomanie hin. Erwächst aus diesem Narrativ nicht auch das Bestreben nach ausreichender territorialer Sicherheit und Unversehrtheit, ein Aspekt, der Putin zu diesem kaum zu rechtfertigenden Invasionsschritt geführt haben könnte? Schließlich ist Rußland wenigstens zweimal in seiner langen Geschichte von westlichen Mächten überfallen worden. 1812 wollte Napoleon mit einem riesigen Heer den Zaren in die Knie zwingen und hat in zwei äußerst blutigen Schlachten und dem Brand Moskaus namenloses Leid über die Russen gebracht, wie nachzulesen bei Tolstoi. 130 Jahre später hat das mörderische „Unternehmen Barbarossa“ schließlich mit seinen grauenhaften Verwüstungen und 27 Millionen Opfern auf russischer Seite die Invasion Napoleons um ein Vielfaches übertroffen. 

Stalin glaubte, nach Ende des für Rußland besonders mörderischen Zweiten Weltkrieges endlich Konsequenzen aus diesen westlichen Invasionen ziehen zu müssen durch Installierung eines „cordon sanitaire“, in den er alle in seinem Machtbereich liegenden Staaten Osteuropas einschließlich der DDR einbezog. Sollte der Westen angesichts der Einhegung durch die östlichen Nato-Staaten nicht ins Kalkül ziehen, daß auch in einem machtpolitisch beschnittenen Nachwende-Rußland ähnliche Befürchtungen virulent sind ? Eine „Finnlandisierung“, das heißt eine weitgehend neutrale Ukraine ohne Nato-Bindung könnte gewissermaßen als Ankerstaat mit west-östlichem Profil ein solcher Sicherheitsgürtel sein, wie er eventuell auch Putins Vorstellungen entspräche. Schließlich bestehen nicht zuletzt seit langem auch verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Ukrainern und Russen. Eine dahingehende kodifizierte Vereinbarung wurde von westlicher Seite bislang abgelehnt und damit Putin zur Befürchtung einer Raketenstationierung sozusagen vor seiner Haustüre Veranlassung gegeben. Haben die USA ihre Reaktion auf die von sowjetischer Seite geplante Raketenstationierung auf Kuba 1962 vergessen?

Prof. Dr. Roland Bitsch, Gießen






Zum Schwerpunktthema: „Das Maß ist voll!“, JF 11/22

Mit über 66 Jahren, da fängt das Leben an

Das Interview mit Peter Hahne war sehr interessant zu lesen, und er hat auch zweifellos recht mit seinen Ausführungen. Doch kann er die ungeschminkte Wahrheit erst sagen beziehungsweise Bücher darüber schreiben, nachdem er beim ZDF in Rente gegangen ist. Man stelle sich vor, er hätte so ein Interview zu seiner Zeit als „heute-journal“-Moderator gegeben. Man hätte ihn wie einen Aussätzigen beim ZDF davongejagt und anschließend sozial isoliert.

Andreas Schlömer, Willingen






Zur Meldung: „Keine Abschiebungen nach Syrien“, JF 9/22

Heimat für den Mörder meiner Schwester

Gerade habe ich mit Entsetzen gelesen, daß es im vergangenen Jahr keine einzige Abschiebung nach Syrien gegeben habe, obwohl der seit 2012 bestehende Abschiebestopp zu Beginn des Jahres ausgelaufen war. Wenn ich mir dann vor Augen halte, daß der mutmaßliche Mörder meiner Schwester möglicherweise nach ein paar Jahren freikommt und Asyl beantragt bzw. Bleiberecht bekommt, weil er „traumatisiert und gestört“ sei, dann könnte ich schon heute wütend werden. Welche Verhältnisse in Asylländern tatsächlich vorherrschen, zeigen zwei kleine Begebenheiten, die ich kürzlich hatte. 

Woher er denn stamme, möchte ich von meinem Friseur wissen (eine „rassistische“ Frage, die man aus „Respekt“ natürlich gar nicht mehr stellen dürfte). „Syria“, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen, mit strahlendem Gesicht. „Aha!“, entfährt es mir nur leicht schaudernd, während er mit der Schere dem Wildwuchs beizukommen versucht, zumal es in dem Barbershop kürzlich eine Messerstecherei unter den Barbieren gegeben hat. Ich frage gegen alle Political Correctness weiter: Woher genau? „Kurdistan, türkisch Grenze.“ Und ich kann sagen: „In Syrien war ich oft als Tankermatrose, Öl aus Banias, und in Latakia per Containerfrachter.“ Seine Augen glänzen: „Viel Party an Strand“, was ich bestätigen kann, „ja, gastfreundliche Leute“. Der junge Mann sei, wie er sagt, gleich per Flieger nach Deutschland eingereist: „nix Boot, Asyl gleich, ganz einfach“. So wollen es die Links-Grünen ja auch gern legalisieren. 

Was denn mit seinen Verwandten sei? Jedes Jahr besuche er die zweimal pro Jahr in Syrien. Ob das denn nicht gefährlich sei? „Keine Problem“, schüttelt er den Kopf, „wir gutt leben, alles haben. Und da nix reiten auf Esel, wie Deutsche immer denken.“ Stolz berichtet er, daß seine Leute Autos haben und am Mittelmeerstrand Urlaub machen. „Kommen jetzt viel Touristen, auch Menschen für Ausgrabung von alte Sachen.“ Krieg sei weit weg, denn „Syria groß“. Nachdenklich und mit neuen Erkenntnissen verlasse ich den Salon und denke an einen Senegalesen, den ich neulich vor einem Schalter am Flughafen traf. Er berichtete mir, er sei Asylant und wolle drei bis vier Monate in der Nähe von Dakar bei seinen Eltern bleiben. Da lebe er mit seiner deutschen Stütze wie ein König und genieße die Sonne, während es ihm in Deutschland zu kalt sei. In seinen Koffern habe er außerdem noch billige Kleidung, die er im Senegal teuer verkaufen könne. Nicht nur deutschen Arbeitslosen würde jetzt der Kragen platzen, sondern auch Rentnern und anderen weniger gut gestellten Mitbürgern. Und der Staat duldet das bzw. schaut weg. Links-Grün macht auch diesen Sozialtourismus möglich.

Dr. rer. nat. Peer Schmidt-Walther, Stralsund