© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/22 / 18. März 2022

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Mut zum Mehr
Paul Rosen

Vor gut einem Jahr hat der Bundesrechnungshof die Bundestagsfraktionen schwer abgewatscht: Die Prüfer warfen ihnen vor, ihre vom Staat erhaltenen Gelder zum Teil rechtswidrig zu verwenden. Gerade in der Öffentlichkeitsarbeit werde die vom Verfassungsgericht vorgeschriebene Trennung zwischen Fraktionsarbeit und Werbung für die jeweilige Partei nicht eingehalten. Doch „Verstöße bei der Verwendung von Fraktionsmitteln bleiben ohne finanzielle oder sonstige Konsequenzen“, kritisierte der Rechnungshof. Es gebe nicht nur keine Rückforderungen rechtswidrig verwendeter Mittel, sondern auch keine Sanktionsmöglichkeiten, die über eine reine Rückzahlung hinausgehen würden.

Die Forderung des Rechnungshofes nach einem transparenten, wirksamen und rechtlich verbindlichen Instrumentarium, um „die Fraktionen zu rechtstreuem Verhalten zu zwingen und Verstöße zu ahnden“, verhallten in Berlin ungehört. Bundestagsverwaltung und Fraktionen unternahmen nichts.

Auch die neue Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) legte bisher keinen Ehrgeiz an den Tag, das rechtswidrige Verhalten der Fraktionen abzustellen. Dafür beeilte sie sich, einer anderen gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen und legte gemäß Abgeordnetengesetz einen Vorschlag zur erneuten Anhebung der Fraktionszuschüsse aus der Steuerkasse vor. Diese Zuschüsse waren in der Vergangenheit stark gestiegen. Von 61,23 Millionen Euro im Jahr 2005 auf 121,5 Millionen Euro Ende 2021. Und in diesem Jahr sollen sie um 1,63 Prozent auf rund 123 Millionen Euro steigen. Um nicht ständig in die Kritik zu geraten, die Fraktionen würden sich wie in einem Selbstbedienungsladen die eigene Finanzausstattung verbessern, wird zur Erhöhung der Zuschüsse jetzt ein Teil des Verbraucherpreisindex herangezogen. Außerdem wird der Tarifabschluß des öffentlichen Dienstes teilweise berücksichtigt. Die Beschäftigten des Bundes erhalten in diesem Jahr eine Tariferhöhung in Höhe von 1,8 Prozent, von der 1,07 Prozent bei den Fraktionen berücksichtigt werden. Zusammen mit den Teilen des Verbraucherpreisindex für Sachausgaben (0,56 Prozent) kommt Bas auf den Erhöhungsvorschlag von 1,63 Prozent.

Bei der Verteilung der Geldmittel kommt ein ausgeklügeltes Verfahren zur Anwendung: Jede Fraktion erhält einen monatlichen Grundbetrag von 469.507 Euro und einen monatlichen Betrag für jedes Mitglied in Höhe von 9.801 Euro. Die Oppositionsfraktionen CDU/CSU, AfD und Linke erhalten einen weiteren Zuschlag von 15 Prozent auf den Grundbetrag und von zehn Prozent auf den Betrag für jedes Mitglied.  

Das Verteilungsverfahren bei den Einnahmen soll eine Transparenz vorspiegeln, die es laut Bundesrechnungshof bei den Ausgaben dagegen nicht gibt. Auch nicht beim Personal. Während dieselben Fraktionen die Lobbyisten zwingen, im neuen Lobbyregister jeden Mitarbeiter mit vollem Namen öffentlich aufzuführen, halten sich die Fraktionen bedeckt und legen nicht offen, wer bei ihnen arbeitet.