© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/22 / 18. März 2022

Rückzieher der Woche
Besser behalten
Paul Leonhard

Solidarisch mit dem heldenhaft kämpfenden Volk der Ukraine wollte sich auch Sachsens Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar zeigen und fällte einen einsamen Beschluß. Der 62jährige ließ aus allen Revieren des Freistaates erst Schutzwesten der Klasse 2, dann aber auch ballistische Helme und Plattenträger-Westen einziehen – also all die moderne Ausrüstung für lebensbedrohliche Einsatzlagen (LebEL), die die Polizeigewerkschaften in mühevollem Einsatz für die Sicherheit ihrer Klientel dem Finanzministerium abgetrotzt hatte. Offenbar erschien dem Landespolizeipräsidenten die tägliche Bedrohungslage der Beamten angesichts der Kriegsbilder aus der Ukraine marginal. Russische Bomben und Raketen haben nun mal eine andere Dimension als Messerstecher (mit oder ohne Migrationshintergrund) sowie linksextremistische Steinewerfer auf sächsischen Straßen. Sogar Einheiten der Bereitschaftspolizei mußten sich von ihrer Spezialausrüstung trennen. Dann aber waren die internen Proteste so laut geworden, daß die ersten Medien anfragten. Schnell stellte Kretzschmar die Abrüstungsaktion wieder ein. Niemandem sei geholfen, wenn man Material zur Verfügung stelle und dabei ein Loch in die notwendige Sicherheit der eigenen Leute reiße, dämmerte dem Polizeichef. Er hatte immerhin den Mumm, sich bei seinen Untergebenen zu entschuldigen, widerrief seine Weisung und versprach: Sämtliche aus den Dienststellen zentral zusammengezogenen Bestandteile der Ausrüstung gehen wieder zurück. Ganz leer gehen die Ukrainer aber doch nicht aus. Sie erhalten jetzt abgelegte Schutzausrüstung. Damit löst Kretzschmar nicht nur ein Entsorgungsproblem, sondern muß auch keine Angst haben, anders als im Fall der Spezialhelme und Plattenträger der höchsten Schutzklasse „SK4+“ gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zu verstoßen.