© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/22 / 18. März 2022

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Die Inspiration entspringt dem Jubiläumskalender: Am 12. März, vergangenen Samstag, wäre Jack Kerouac, neben William S. Burroughs und Allen Ginsberg einer der einflußreichsten Vertreter der Beat Generation, hundert Jahre alt geworden. Also krame ich aus dem hintersten Winkel des Bücherregals dessen autobiographisch grundiertes Kultbuch „On the Road“ (dt. „Unterwegs“) hervor, das ihn 1957 schlagartig berühmt machte. Kerouacs Alter ego Sal Paradise, ein junger angehender Schriftsteller, erzählt darin von Reisen mit seinem Kumpel Dean Moriarty durch Amerika und Mexiko zwischen 1947 und 1950 per Anhalter, auf Güterzügen, in Greyhound-Bussen, manchmal auch mit geklauten Autos. Die beiden Herumtreiber und Gelegenheitsjobber berauschen sich an Drogen, Alkohol, Jazz und Sex. Sie sind Außenseiter am Rand der Gesellschaft, wollen Konventionen oder Normen entfliehen. Ein Dialog daraus geht so: „Sal, wir müssen gehen und nie anhalten, bis wir dort sind.“ – „Wohin gehen wir, Mann?“ – „Ich weiß es nicht, aber wir müssen gehen.“ Kerouacs Roman avancierte seinerzeit rasch zum Manifest einer Gegenkultur; ich habe ihn als Heranwachsender wohl erstmals Ende der siebziger Jahre in die Hände bekommen, etwa zeitgleich mit Salingers „Der Fänger im Roggen“. Das Original „Catcher in the Rye“ erschien 1951, sechs Jahre vor Kerouacs „Unterwegs“. Und merkwürdig, damals wie heute: Der junge Rebell Holden Caulfield, Ich-Erzähler bei Salinger, berührt mich mehr als Sal Paradise. 

Berliner Premiere: Sieben Operntode von Maria Callas, künstlerisch frei umgesetzt als Videoprojektion.

Wenn die freiheitseinschränkenden Corona-Maßnahmen demnächst endlich fallen sollten, interessierte mich am 8. April die Premiere von „7 Deaths of Maria Callas“ an der Deutschen Oper Berlin. Die international renommierte serbische Performance-Künstlerin Marina Abramović (75) widmet sich darin der Opernsängerin Maria Callas. Nach eigener Erzählung hörte sie die Sopranistin erstmals als 14jährige aus dem Radio in der Küche ihrer Großmutter und war so hin und weg, daß ihr die Tränen kamen. Ihre jahrzehntelange Beschäftgigung mit der Jahrhundert-Diva mündete nun in dieses Opernprojekt aus Gesang, Videoclips und Performancekunst. Ausgangspunkt sind sieben Operntode der Callas, dekonstruiert und künstlerisch frei umgesetzt auf der Leinwand von Abramović zusammen mit dem US-Schauspieler Willem Dafoe, parallel dazu singen sieben Sopranistinnen live berühmte Callas-Arien. Zum Schluß stirbt auf der Bühne Maria Callas im Bett ihrer Pariser Wohnung, verkörpert von Marina Abramović. Die Kritiken nach der Uraufführung vor zwei Jahren an der Bayerischen Staatsoper waren zwar zum Teil verheerend („mitunter sterbenslangweilig“, so das Kunstmagazin Monopol). Gleichwohl würde ich mir gern ein eigenes Bild machen.

Das gilt übrigens auch für die Ausstellung „Richard Wagner und das deutsche Gefühl“ im Deutschen Historischen Museum, die ebenfalls ab dem 8. April und bis zum 11. September zu sehen ist. Sie steht im Kontrast zu der bereits dort laufenden Schau „Karl Marx und der Kapitalismus“. Mehr dazu unter www.dhm.de/ausstellungen/vorschau/