© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/22 / 18. März 2022

Blick in die Medien
Selektive Hellhörigkeit
Ronald Berthold

Hellhörig werden unsere Leitmedien immer, wenn ausländische Staatsführungen ihre Journalisten loben. Mit der Unabhängigkeit sei es nicht weit her, lernen wir dann. Geschieht das in Deutschland, verkauft man uns das gern als Gütesiegel. So bekam sich das „Heute-Journal“ vergangene Woche vor lauter Selbstbeweihräucherung gar nicht mehr ein, als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier  (SPD) zum Abschied von ZDF-Intendant Thomas Bellut „persönlich“, wie Moderator Christian Sievers hervorhob, erschien. Das sage „viel über den Stellenwert freier Presse“. Und er fügte noch an: „Journalismus ist überlebenswichtig – das hören wir Nachrichtenleute gern vom Bundespräsidenten.“

Von Staatsferne war bei der einem Staatsakt ähnelnden Veranstaltung nun wirklich nichts zu sehen.

Wenigstens kam Sievers das sonst so beliebte, aber verlogene Wort der „Staatsferne“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht über die Lippen. Denn davon war bei der einem Staatsakt ähnelnden Veranstaltung nun wirklich nichts zu sehen. Nach seiner wortreichen, sichtlich stolzen Anmoderation widmete der Sender einen für diese Zeiten üppig langen Beitrag der eigenen Sache. Auch hier betonte die Reporterin, der Präsident sei extra „persönlich“ gekommen – dabei konnte das jeder bei der kumpelhaften Begrüßung von Bellut und Steinmeier sehen.

In diesen drei Minuten lernten wir dann tatsächlich einiges über den Stellenwert der Presse beim Staat. „Pressefreiheit“, so meinte Steinmeiner ganz unironisch mit Blick aufs ZDF, „ist das Gegengift zu dem totalitären Wahn, dem Wahn die Hoheit über die Gedanken von Menschen zu erlangen.“ Wer spätestens jetzt als regelmäßiger „Heute-Journal“-Zuschauer nicht laut losprustete, der muß dem Sender wirklich die Hoheit über seine Gedanken gestattet haben.

Neben dem Bundespräsidenten trat auch eine gewisse Marie-Luise („Malu“) Dreyer auf. Sie wurde uns hier als „Vorsitzende des ZDF-Verwaltungsrates“ vorgestellt. Nebenberuflich ist sie, soviel gehört zur Wahrheit über die Staatsferne hinzu, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz. Das blieb allerdings unerwähnt. Danke, liebes ZDF, für diesen erhellenden Journalismus.