© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/22 / 18. März 2022

Frisch gepreßt

Autokraten Osteuropas. Seit langem schreibt die in neoliberalen Blättern wie Washington Post und The Atlantic dauerpräsente Historikerin und Journalistin Anne Applebaum über „autokratische Regime“ Osteuropas. Zuletzt erschien von ihr dazu eine Kompilation aus jahrzehntealten Monographien und Dokumentationen über den bolschewistischen Völkermord an vier Millionen Ukrainern in den frühen 1930ern: „Roter Hunger. Stalins Krieg gegen die Ukraine“ (JF 28/19). In ihrem jüngsten Werk wendet sie sich wieder solchen „Antidemokraten“ und deren „nicht freiheitlichen Einparteienstaaten“ zu, richtet den Blick aber auch nach Westen. Wobei sie mit dem ihr eigenen Gemisch aus Häme, Tratsch, Polemik, Kaskaden von Belanglosigkeiten, anbiedernden Witzeleien und eitler Selbstinszenierung gegen Donald Trump nachtritt, gegen britische Brexiteers wütet oder die spanische Vox-Rechte als lupenreine Franco-Wiedergänger präsentiert. Nicht allein bei ihren Lieblingsfeinden in Ungarn und Polen, nein, überall, nur nicht in ihrem von edlen, der nahenden „Finsternis“ trotzenden Patentdemokraten und wahrheitsverliebten Qualitätsmedien wimmelnden Umfeld trifft sie auf protofaschistische „Populisten, Autoritäre, Extremisten, Lügner, Chaoten, Apokalyptiker“. Kurz: Applebaums verschwörungsideologisch wattiertes Weltbild für schlichte Gemüter. Analyse? Fehlanzeige! (dg)

Anne Applebaum: Die Verlockung des Autoritären. Warum antidemokratische Herrschaft so populär geworden ist, Siedler Verlag, München 2021, gebunden, 208 Seiten, 22 Euro





DDR-Traumata. Der Berliner Psychologe Karl-Heinz Bomberg kann im Umgang mit traumatisierten DDR-Opfern nicht nur auf sein fachliches Wissen zurückgreifen, sondern auch auf biographische Erfahrungen, geriet der als „staatsfeindlicher“ Liedermacher in Leipzig auftretende Medizinstudent Anfang der achtziger Jahre doch selbst erst ins Visier und dann in Haft der Stasi. In seinem dritten Buch zum Thema stellt Bomberg anhand diverser anonymisierter Beispiele aus seinen Therapien ehemalige DDR-Bürger vor, die auch dreißig Jahre nach Ende des Unrechtsregimes an ihrer Haft- oder Verfolgung zu knabbern haben, sei es mit einem erhöhten Angstpegel, Depressionen oder einem Grundmißtrauen gegenüber den Mitmenschen. Damit die Traumaopfer „nicht aufgeben, an das Gute zu glauben“, so wie sein Fallbeispiel Herr K., richtet Bomberg seine analytische Therapie an den „zentralen Begriffen Freiheit und Verantwortung“ aus. Denn sein einleuchtendes Fazit lautet, daß „Freiheit Glücksgefühle auslösen kann und Verantwortung Befriedung“. (bä)

Karl-Heinz Bomberg: Seelische Narben. Freiheit und Verantwortung in den Biographien politisch Traumatisierter der DDR. Psychosozial-Verlag, Gießen 2021, broschiert, 156 Seiten, 24,90 Euro