© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/22 / 25. März 2022

Hans im Unglück?
Landtagswahl I: Die Saarländer eröffnen den Reigen an den Urnen / SPD könnte die CDU zum Juniorpartner degradieren
Christian Schreiber

Mit der Landtagswahl im Saarland beginnt am Sonntag das Wahljahr 2022. Sie steht unter besonderen Vorzeichen. Da wäre zum einen die Linkspartei, die unter Führung des früheren SPD-Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine im Jahr 2009 mehr als 21 Prozent der Stimmen holte und vor fünf Jahren mit 12,8 Prozent immerhin noch zweistellig wurde. 

Seit Jahren streiten sich die Sozialisten nach Herzenslust. Mit kuriosen Folgen: Lafontaine ist derzeit noch Vorsitzender der fünfköpfigen Linken-Fraktion im Saarbrücker Landtag, seine ehemalige Mitstreiterin, dann Widersacherin Barbara Spaniol spaltete sich mit einer weiteren Abgeordneten ab, bildete die Fraktion Saar-Linke und tritt nun als Spitzenkandidation der Linkspartei an. Lafontaine hatte frühzeitig auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Doch damit nicht genug. Vergangene Woche beendete „de Oskar“, gegen den ein Parteiausschlußverfahren lief, seine politische Karriere und gab öffentlichkeitswirksam sein Parteibuch zurück. In der letzten Umfrage vor der Wahl lag die Linke unterhalb der Fünfprozenthürde.

Wahlabende an der Saar waren schon immer spannend

Ohnehin haben es kleine Parteien im kleinsten Flächenland der Republik schwer. Vor fünf Jahren führte die spätere CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer ihre seit 1999 regierende Partei mit 40,7 Prozent souverän als Siegerin über die Ziellinie. Die SPD, seit Lafontaines erstem Hinschmeißen 1999 arg zerrupft, kam nicht einmal mehr auf 30 Prozent. 2017 zog neben der Linken nur noch die AfD mit 6,2 Prozent in den Landtag ein, Grüne und FDP blieben außen vor. 

Spätestens seit der Bundestagswahl im vergangenen Herbst, als die SPD die CDU an der Saar überholte und alle vier Direktmandate gewann, ist eine Wechselstimmung spürbar. Die sozialdemokratische Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger hat geduldig auf ihre Chance gewartet. Seit dem Jamaika-Desaster zwischen 2009 und 2012 regieren CDU und SPD einträchtig in einer Großen Koalition. Als es Kramp-Karrenbauer 2018 nach Berlin zog, übergab sie den Staffelstab an Tobias Hans, dessen mittlerweile verstorbener Vater Peter vor 20 Jahren Fraktionschef der CDU war. 

Daß Hans junior die Wahl 2022 gewinnen würde, galt lange als ausgemacht. Doch dann kam die Corona-Krise. Der Ministerpräsident tingelte von Talkshow zu Talkshow, orientierte sich stark am Bayern Markus Söder. Das verfing lange Zeit, bis die Stimmung in der Bevölkerung kippte. „Ich bin der Überbringer der schlechten Nachrichten“, klagte der Ministerpräsident, der den gesammelten Krisen-Frust, abbekommt, kürzlich. Die Umfragewerte sind mies, lediglich 31 Prozent wollten die CDU eine Woche vor der Wahl noch wählen. Die SPD liegt mit 39 Prozent bei Insa deutlich vorne.

Eine Frage, die sich im Saarland seit jeher stellt, ist die, ob die Großen so stark, weil die Kleinen so schwach oder ob beide Volksparteien immer noch so fest in der Bevölkerung verankert sind. Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte. Das Beispiel Linkspartei zeigt, daß es Potential für eine oppositionelle Partei gibt, sofern sie über charismatisches Führungspersonal verfügt. Doch daran mangelt es quer durch die Bank. Die FDP, die 2012 nach einer Skandalserie in der Jamaika-Koalition im hohen Bogen aus dem Landtag flog, verfügt mit Landeschef Oliver Luksic über einen bundesweit anerkannten Verkehrsexperten. 

Der 42jährige wurde nach der Bundestagswahl mit dem Posten des Staatssekretärs im Bundesverteidigungsministerium belohnt. Als Spitzenkandidat im Saarland fuhr er mit 11,5 Prozent ein Ergebnis oberhalb des Bundesschnitts ein. Mahnungen aus der Partei, er solle auch die Listenführung im Saarland übernehmen, ignorierte er. Mit möglicherweise fatalen Folgen. In der letzten Umfrage lagen die Liberalen gerade einmal bei fünf Prozent. Die Auftritte der Spitzenkandidatin Angelika Hießerich-Peter, einer gänzlich unbekannten Gastronomin, blieben blaß. 

Gleiches Bild bei den an der Saar traditionell zerstrittenen Grünen. Im Vorfeld der Bundestagswahl zerlegte sich die Öko-Partei derart, daß sie im Saarland nicht zur Wahl antreten durfte. Dies ist ihr diesmal immerhin gelungen. Zudem konnte mit der 31jährigen Juristin Lisa Becker eine vorzeigbare – aber ebenfalls völlig unbekannte  -Spitzenkandidatin gefunden werden. Doch ob sie nach dem Aus 2017 in den Landtag zurückkehrt, ist offen. Wie die Liberalen liegen die Grünen bei fünf Prozent. Große Probleme bereitet der Partei auch die Kandidatur der sozialökologischen Liste Bunt.Saar, die kurz vor der Wahl auf drei Prozent kam. 

Von der Schwäche der desolaten AfD (siehe unten) wollen die – wie könnte es anders sein – an der Saar zerstrittenen Freien Wähler sowie die Querdenkerpartei Die Basis profitieren. Beide Parteien wurden in den Umfragen zuletzt allerdings unter der Dreiprozentmarke gesehen. Der Wahlkampf an der Saar stand unter dem Eindruck der Ukraine-Krise und der neuerlichen Corona-Welle. Bundesprominenz wie CDU-Chef Friedrich Merz hatte es schwer, sich in Szene zu setzen. Als Aufreger taugte eigentlich nur die Debatte um eine Benzinpreis-Bremse; in der Corona-Frage waren sich CDU und SPD stets einig. So gehen viele Beobachter davon aus, daß die Große Koalition fortgesetzt wird – allerdings mit der SPD als stärkster Partei. 

Doch Wahlabende an der Saar waren schon immer spannend. Von sechs Fraktionen im Landtag bis zu einem Zwei-Parteien-Parlament ist jedenfalls alles möglich.

 Kommentar Seite 2