© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/22 / 25. März 2022

Die US-Zentralbank hat ihren Leitzins um 0,25 Prozentpunkte erhöht
Kurzsichtige Entscheidungen
Thorsten Polleit

Die US-Zentralbank hat am 16. März ihren Leitzins um 0,25 Prozentpunkte angehoben. Die neue Bandbreite für die „Federal Funds Rate“ liegt nun bei 0,25 bis 0,50 Prozent. Zudem verkündete die Fed, ihre Zinsen 2022 nicht nur drei-, sondern sechsmal anheben zu wollen – das hieße zum Jahresende 1,9 Prozent anstatt der bislang angepeilten 0,9 Prozent. Ist das die Zinswende, die sich viele Sparer erhofft hatten? Angesichts einer Inflation von 7,9 Prozent (Consumer Price Index/CPI im Februar) ist dieser Zinsschritt sowie auch die weiter geplante Straffung der Geldpolitik alles andere als restriktiv. Die Realzinsen werden negativ bleiben, der Dollar büßt weiter Kaufkraft ein.

Doch auch die EZB sorgt durch eine übermäßige Geldmengenausweitung bei anhaltend niedrigen Zinsen für einen bisher nicht gekannten Inflationsschub: Im Februar lagen die Konsumgüterpreise im Euroraum im Schnitt um 5,9 Prozent höher als Vorjahr – bei Nullzinsen für die Sparer. Es ist unübersehbar, daß sich die Zentralbankräte davor scheuen, konsequent gegen die hohe Inflation vorzugehen. Stattdessen hoffen sie darauf, daß die aktuelle Inflationswelle im Laufe des Jahres nachläßt, ohne daß dafür der Leitzins stark angehoben werden muß und so die Wirtschaft in eine Rezession stürzt.

Doch diese Rechnung wird wohl nicht aufgehen. Denn die mittlerweile extrem stark ansteigenden Energie- und Rohstoffpreise – die durch den Ukraine-Krieg zusätzlich angeheizt werden – treffen auf einen gewaltigen „Geldmengenüberhang“, den die großen Zentralbanken im Zuge der Finanz-, Euro- und Corona-Krise erzeugt haben. Dadurch können sich die global gestiegenen Gas-, Öl- und Nahrungsmittelpreise in Inflation – also den fortgesetzten Anstieg der Güterpreise auf breiter Front – übersetzen. Hinzu kommt, daß die Geldmengen dies- und jenseits des Atlantiks immer noch zu stark wachsen, die Preisinflation also zusätzlich in die Höhe getrieben wird.

Die unangenehme Wahrheit ist, daß die Volkswirtschaften mittlerweile so hohe Schulden angehäuft haben, daß sie keine steigenden Zinsen mehr verkraften können. Die Rückkehr zu „normalen Zinssätzen“ würde die Produktions- und Beschäftigungsstruktur, die im Zuge der laxen Geldpolitik in den letzten Dekaden errichtet wurde, zum Einsturz bringen. Vor die Wahl gestellt, die Zinsen anzuheben und eine Rezession auszulösen, oder zu versuchen, die Konjunktur in Gang zu halten, plädieren Regierende wie auch viele Regierte mittlerweile für zweiteres.

Das ist allerdings eine kurzsichtige Entscheidung. Denn der Prozeß steigender und anhaltender Inflation erweist sich früher oder später als selbstzerstörerisch. Man sollte vor allem nicht den Sirenenrufen Glauben schenken, die das Inflationsproblem den Energie- und Rohstoffpreiserhöhungen anlasten. Inflation – das fortgesetzte Ansteigen der Güterpreise auf breiter Front – ist immer und überall ein monetäres Phänomen. Sie bricht nicht wie eine Naturkatastrophe über die Menschen herein, sondern sie ist menschengemacht. Die Zentralbanken erzeugen sie, auch wenn sie der Öffentlichkeit etwas anderes weismachen wollen. Sparer und Anleger sollten daher in jedem Fall auf der Hut bleiben: Es ist zu befürchten, daß die Inflation höher ausfallen und länger andauern wird, als den meisten Menschen lieb sein kann.






Prof. Dr. Thorsten Polleit ist Volkswirtschaftler und Präsident des Mises-Instituts.