© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/22 / 25. März 2022

Gefühlspolitik als Mittel der Herrschaftssicherung
Emotionale Botschaften
(ob)

Die Sozialhistorikerin Ute Frevert, Leiterin des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung (Berlin), hat die lange vernachlässigte Bedeutung von Gefühlen in der Politik entdeckt. Seit der Französischen Revolution habe deren Einfluß beständig zugenommen. Denn nach der Hinrichtung des französischen Königspaares mußten sich Europas Monarchen um ihre Sicherheit sorgen und sich aktiv darum bemühen, ihre Untertanen emotional für sich einzunehmen. Seitdem ist Gefühlspolitik ein Instrument der Machtsicherung. Fügsamkeit, betont Frevert, lasse sich zwar auch durch Gewalt herstellen, weniger aufwendig und effizienter sei es aber, wenn Menschen sich freiwillig unterordnen. Dabei entscheiden sie nicht nur und nicht einmal überwiegend nach vernünftiger Einsicht. Sie seien auch nicht ausschließlich passive Empfänger emotionaler Botschaften von oben, sondern haben Erwartungen, Vorlieben und Forderungen. Daß Donald Trump 2016 US-Präsident wurde, führt Frevert daher auf seine rhetorisch und mimisch geschickt inszenierten Attacken auf  die Arroganz des linksliberalen Establishments zurück. Ebenso starke Gefühle seien beteiligt gewesen, seine Wiederwahl zu verhindern, denn seine Corona-Politik habe ihn als „kaltherzig und gefühllos“ erscheinen lassen. Die angeblich eine „rationale, sachorientierte Politik“ verfolgende Angela Merkel habe hingegen als minimalistische Gefühlspolitikerin glücklicher agitiert. Sie habe zur Sicherung der Fügsamkeit ihrer Wähler nur wenige „ungekünstelte emotionale Momente“ benötigt: den Torjubel bei der Fußball-WM 2014 und die herzliche Begrüßung „syrischer Flüchtlinge“ 2015 (Max Planck Forschung, 4/2021). 


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