© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/22 / 25. März 2022

Geldscham? Fehlanzeige!
Journalismus zum Aufregen: Jan Böhmermann produziert ersten öffentlich-rechtlichen Porno
Boris T. Kaiser

Jan Böhmermann hat einmal mehr den öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag neu definiert. „Vielleicht ist es mal an der Zeit, daß wir über Pornos sprechen“, stellte der selbsternannte Satiriker in einem Beitrag für sein „ZDF Magazin Royale“ kürzlich in den Raum. Das tat er dann auch. Mehr als 23 Minuten lang. Aber nicht nur das. Der Moderator hat sogar einen eigenen Sexfilm produziert, der seinem Geschmack und Anspruch gerecht wird. Warum, erklärte der Mann, der zu wirklich allem eine politisch korrekte Meinung hat, in einer heiß glühenden Ansprache an sein Publikum.

Dabei nahm er zunächst die großen Sexfilm-Streaming-Plattformen, deren Muttergesellschaften allesamt in Europa sitzen, ins Visier und enthüllte etwas, das wohl jeder seiner Zuschauer schon gewußt hat: Der Jugendschutz der großen Anbieter von pornographischen Inhalten im Netz ist allenfalls als schlechter Witz vorhanden. Besteht er doch allein darin, daß der Nutzer durch einen einfachen Klick bestätigt, daß er mindestens 18 Jahre alt ist. Besonders Deutschland scheint mit seiner laxen Gesetzgebung eine Art Mekka der Plattformbetreiber zu sein. 

Pornhub hat „zehn Millionen Videos gelöscht“

Auch seine zweite Enthüllung dürfte wohl für niemanden besonders überraschend gewesen sein: Die Gratispornos im Internet sind ziemlich beliebt. Sogar beliebter als Netflix oder die ZDF-Mediathek

Das, worüber der 41jährige allerdings dann berichtete, hatte es ganz schön in sich: „Aufnahmen von Vergewaltigungen, Mißbrauch von Minderjährigen, all das“ habe man auf der Plattform Pornhub jahrelang finden können. Bis das Unternehmen vor zwei Jahren „endlich reagiert“ und „zehn Millionen Videos“ gelöscht habe. 

Böhmermanns Schilderungen klingen zutiefst erschreckend. Die Realität war allerdings bei weitem nicht so dramatisch, wie er es in seiner Sendung suggerierte. Das sollte einem schon die schier unvorstellbar hohe Zahl der gelöschten vermeintlichen Mißbrauchsvideos nahelegen. Tatsächlich handelte es sich bei den entfernten Filmen nicht nur um solche, in denen tatsächlich Mißbrauch oder Vergewaltigungen zu sehen waren. Die in Montreal ansässige Firma löschte vielmehr weitgehend automatisiert und ungeprüft einfach alle Clips, deren Titel oder Videobeschreibungen auch nur den geringsten Rückschluß auf derartige Inhalte zuließen. 

Den Löschungen fielen also auch die 70er-Jahre- „Schulmädchen-Report“-Filmchen oder harmlose Sex-Klaumauk-Komödien wie die „Eis am Stiel“-Reihe zum Opfer. All das erwähnte der öffentlich-rechtliche Aufklärer im ZDF nicht. 

Statt dessen wies er darauf hin, daß „der Pornhub-Algorithmus“ ihn auch heute noch auf Suchbegriffe hinweist, die Wörter wie „vergewaltigt“ beinhalten. Auch hier überzog Böhmermann mit seiner Kritik. Zunächst einmal sieht man schon in den von ihm gezeigten Aufnahmen, daß es sich bei den „Suchbegriffen“ eher um Tags als um klassische Suchbegriffe handelt. Wer diese anklickt, wird in den meisten Fällen ins Leere geleitet beziehungsweise darauf hingewiesen, daß es hierzu keine entsprechenden Videos gibt.

Mehr noch: Wer bei Pornhub Suchbegriffe eingibt, die gemäß der inzwischen sehr weit gefaßten Regeln „No-Gos“ auf der Streamingplattform sind, wird von den Betreibern der Seite auch schon mal gewarnt, daß der gesuchte Inhalt möglicherweise strafrechtliche Relevanz haben könne. Weiter wird auf ein psychologisches Präventionsprogramm verwiesen.

Auch mit dem Klischee, daß hinter den meisten Webseiten mit Inhalten für Erwachsene Amerikaner stecken, räumte Böhmermann auf. Unter den zehn meistbesuchten Seiten ist nur eine japanische. Bei allen anderen sitzen die Halter und Finanziers in Deutschland, Frankreich, Tschechien oder anderen europäischen Ländern.

Im Zuge des angesprochenen Skandals vor zwei Jahren ist der Porno-Anbieter übrigens auch ziemlich „woke“ geworden. Das erkennt man nicht nur an den dort ziemlich regelmäßig aufblinkenden Regenbogenfarben. Bei Pornhub gelten mittlerweile auch Filme mit „rassistischen“ und – Achtung! – „sexistischen“ Inhalten mitunter als unerwünscht.

„Weil der freie Markt das mal wieder nicht hinbekommt“

Böhmermann ließ all das nicht nur unter den Tisch fallen, es ist ihm offenbar auch zuwenig. Ein öffentlich-rechtlich produzierter Porno müsse her, „um der Gesellschaft zu zeigen, wie Pornographie ethisch und moralisch korrekt gehen kann“, befand der Ein-Mann-Ethikrat. „Weil der freie Markt das mal wieder nicht hinbekommt.“ 

Gesagt, getan: Das „ZDF Magazin Royale“-Team hat „ein bißchen Rundfunkgebühren in die Hand genommen“ und damit „einen ethisch korrekten queerfeministischen Hochglanzporno produziert“. Regie geführt hat die alternative Porno-Regisseurin Paulita Pappel. Die Spanierin war froh, daß ihr Porno „finanziert ist“ und deshalb nicht darauf angelegt sei, „viele Klicks oder Likes oder Verkäufe“ zu generieren.

Überraschenderweise wollte das ZDF den bereits produzierten „fairen Porno“ dennoch nicht zeigen. Bezahlt wurde der multikulturelle und pansexuelle „Cast“, also das Darstellerteam des „ersten öffentlich-rechtlichen“ Pornos „in der Geschichte des deutschen Fernsehens ever!“, trotzdem. Und zwar „vernünftig“, wie Böhmermann mit einigem Stolz betont. Immerhin die Freude darüber dürfte bei keinem der Beteiligten vorgetäuscht gewesen sein.

Foto: Jan Böhmermann: Ethisch korrekter Porno