© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/22 / 25. März 2022

Frisch gepreßt

Nerds. Wer kennt sie nicht: junge Männer mit Pickeln und dicker Brille. Computerfreaks mit Abo beim Pizzaservice. Lange galten die Nerds als Antihelden, irgendwie sozial gestört und bei Frauen erfolglos. Womit niemand gerechnet hatte: Die Zeit arbeitete für die Nerds. Die Digitalisierung wurde zum gesellschaftlichen Megatrend. Der Siegeszug der Nerds war nicht mehr aufzuhalten. Bill Gates und Steve Jobs wagten den Schritt aus ihren Vorstadtgaragen heraus und fanden sich kurz darauf in den Chefbüros von Multi-Milliarden-Dollar-Unternehmen wieder. Die Kulturwissenschaftlerin Annekathrin Kohout zeichnet in ihrem Buch die erstaunliche Geschichte der Nerds nach, die Teil der Popkultur und eine Erfolgsgeschichte in der Informationsgesellschaft ist. Sie führt vom spießigen Streber bis zum alten Mann, der täglich das Weltgeschehen online kommentiert. „Ist die große Zeit dieser für ein paar Jahrzehnte so wichtigen Sozialfigur schon wieder vorbei?“ fragt der Verlag im Werbetext des Buchs – und läßt die Frage offen. In Zeiten sich rasant entwickelnder virtueller Realitäten ist davon nicht auszugehen. Sie schaffen doch erst die Welten, in denen jeder Nerd dreidimensional zum erfolgreichen Spitzensportler, siegreichen Panzerkommandanten oder angeschmachteten Pornostar werden kann. (bb)

Annekathrin Kohout: Nerds. Eine Popkulturgeschichte. Verlag C.H. Beck, München 2022, broschiert, 272 Seiten, 16,95 Euro





Antisemitismus. Die zum Judentum konvertierte Juristin und Journalistin Gunda Trepp, Witwe des 45 Jahre älteren, bereits 1936 ordinierten letzten Rabbiner des deutschen Judentums Leo Trepp (1913–2010), präsentiert ihre politische Leidenschaft zwischen zwei Buchdeckeln: der „Gebrauchsanweisung gegen Antisemitismus“. Entsprechend vollmundig verheißt der Klappentext „Fakten statt Vorurteile“. Die Faktenbasis – antisemitische Beispiele im „Süddeutschen Beobachter“ (Michael Klonovsky), bei der BDS-Bewegung oder beim kamerunischen Philosophen Achille Mbembe, der 2020 die Ruhrtriennale eröffnen sollte – ist dabei oft kenntnisreich und erhellend. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Entsprechend unterbelichtet, vielmehr fast eifernd, erscheint das Kapitel über den „Antijudaismus“. So handele es sich bei der Kreuzigung Christi, also der Geburtsstunde einer Weltreligion, um eine „belanglose Begebenheit im Römischen Reich“, bei der jüdische Autoritäten keine entscheidende Rolle gespielt hätten. Bezeichnenderweise setzt Trepp die Bekehrung des Apostels Paulus zu Christus in Anführungszeichen. Und wer aus medizinischer Sicht die Vorhautbeschneidung kritisiert, wie Kinderärzte in In- und Ausland, mutiert augenblicklich zum Antisemiten. (cd)

Gunda Trepp: Gebrauchsanweisung gegen Antisemitismus. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2022, broschiert, 256 Seiten, 20 Euro