© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/22 / 01. April 2022

Biden spielt gern mit dem Feuer
USA: Der US-Präsident verwirrt mit seinen Verbal-Ausrutschern nicht nur seine Mitarbeiter, auch seine Verbündeten sind nicht begeistert
Marc Zoellner

Jim Jordan hat schon vieles erlebt: Seit 15 Jahren sitzt der Republikaner im Repräsentantenhaus, vertritt dort den Bundestaat Ohio und diente unter mittlerweile vier US-Präsidenten. Vergangenen Samstag verschlug es Jordan allerdings fast die Sprache. „Ich denke, es darf gesagt werden, daß dieser Präsident eine kriegstreiberischere Sprache verwendet als wahrscheinlich jeder andere Präsident der amerikanischen Geschichte“, mahnte der 58jährige mit Blick auf die Polenreise von US-Präsident Joe Biden. „Man muß vorsichtig und präzise sein in dem, was man sagt, besonders als Oberbefehlshaber unseres Landes.“ Diese Rede sei ein „entsetzlicher Ausrutscher“, betonte auch Jim Risch, der republikanische Senator Idahos. Und die New York Post spekulierte frech, sein verbaler Ausrutscher sei „wahrscheinlich einfach so in Bidens verwirrtem Hirn aufgetaucht“; der US-Präsident hätte sich besser an das Redemanuskript halten sollen.

„Die Ukraine wird niemals ein Sieg für Rußland sein“, hatte US-Präsident Joe Biden in seiner aufsehenerregenden Rede auf seiner Visite im polnischen Warschau vergangenen Samstag betont. „Wir werden eine andere Zukunft haben, eine strahlendere Zukunft, in Demokratie und Grundsätzen verwurzelt.“ Was dann allerdings geschah, war ein wahres Gottesgeschenk an den Kreml, serviert auf dem goldenen Tablett. „Um Gottes Willen“, sprach Biden vor versammeltem Publikum. „Dieser Mann“, gemeint war hier Putin, „darf nicht an der Macht bleiben.“

Umfragen stellen dem Präsidenten kein gutes Zeugnis aus 

„Biden fordert Sturz von Putin“, überschlugen sich am Wochenende auch in Deutschland die Nachrichten. Und die Moskauer Regierung verwandelte diese Steilvorlage umgehend in ein Siegtor gegen das Bestreben des Nato-Bündnisses um internationale Einigkeit im Ukraine-Krieg. „Diese Äußerung ist allerdings alarmierend“, bekräftigte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. „Wir werden die Aussagen des US-Präsidenten höchst aufmerksam weiterverfolgen. Es ist nicht Sache des Präsidenten der USA zu bestimmen, wer in Rußland an der Macht bleiben wird.“ 

Noch am Sonntag beeilte sich der Stab des US-Präsidenten, Bidens Fauxpas herunterzuspielen. „Putin darf nicht ermächtigt werden, Krieg zu führen oder sich an einem Angriff auf die Ukraine oder einen anderen Staat zu beteiligen“, beschwichtigte Außenminister Antony Blinken. Biden hingegen, nach dem Besuch des Sonntagsgottesdienstes von einem Reporter befragt, ob er einen Regimewechsel in Rußland anstrebe, antwortete lapidar: „Nein.“ Später erklärte er: „Ich nehme nichts zurück.“

Die internationale Staatengemeinschaft zeigt sich verwirrt von Bidens diplomatischen Ausfall. Immerhin wirbt die Nato im Ukraine-Krieg um einen deeskalierenden Kurs am Verhandlungstisch, zu welchem ein Regimewechsel sicher nicht paßt. Selbst Frankreichs Präsident Emmanuel Macron rückte vom engen Bündnispartner Biden ab. 

Dessen Beliebtheitswerte dürften nach der verpatzten Polen-Rede noch weiter in den Keller sinken. Einer Ende März veröffentlichten Umfrage  von NBC News zufolge stimmten auch vor dem Eklat lediglich noch 40 Prozent der US-Amerikaner einer „guten Amtsführung“ ihres Präsidenten zu – ganze 13 Prozentpunkte weniger als im März 2021. 

Als hätte Präsident Wladimir Putin die Drohung doch ernst genommen, ließ Moskau am Dienstag nachmittag verlauten, daß „insgesamt“ die „Hauptaufgaben der ersten Phase der Spezialoperation abgeschlossen“ seien. Das Kampfpotential der ukrainischen Streitkräfte sei „erheblich reduziert“. Deshalb sei es „möglich, die größte Aufmerksamkeit und die größten Anstrengungen auf das Hauptziel zu richten – die Befreiung des Donbass“. Zudem sei beschlossen worden, die Militäraktivitäten rund um Kiew und Tschernihiw „drastisch zu reduzieren“.